Brown, Dale - Schattenpilot
Wir starten in ungefähr zwölf Stunden.«
»Der General, der vorrückt, ohne Ruhm zu suchen, und zurück geht, ohne Entehrung zu fürchten, der nur danach strebt,
sein Land zu schützen und seinem Herrscher treu zu dienen, ist das Juwel des Königreichs.«
SUN-TZU Die Kunst des Krieges
5
Marinestützpunkt Bandar-Abbas, Islamische Republik Iran
Dienstag, 24. Juni 1997, 21.21 Uhr Ortszeit
(12.51 Uhr Ostküstenzeit)
»Da kommt sie!«, sagte der Sonargast an Bord der USS Miami, eines amerikanischen U-Boots der Los-Angeles-Klasse. Über die Bordsprechanlage meldete er: »Brücke, Sonar, Ziel Alpha ist in der Fahrtrinne, Peilung drei-eins-null, sechstausend Meter, Fahrt sieben Knoten.«
Der Erste Offizier bestätigte die Meldung und verständigte den Kapitän in seiner Kammer. »Skipper, die Taregh hat Fahrt aufgenommen.« Kurze Zeit später kam der Kapitän zu ihm in die Zentrale des zwölf Jahre alten, siebentausend Tonnen verdrängenden U-Boots.
»Sonar, was haben Sie?«, fragte der Kapitän.
»Positiver Kontakt, Sir«, meldete der Sonargast. Sein Sonargerät WLR-9/12 war mit einem leistungsfähigen Computersystem gekoppelt, das ihn auf ein bestimmtes Geräusch aufmerksam machte, das sich aus irgendeinem Grund von den vielen sonstigen Unterwassergeräuschen unterschied. Dann konnte der Sonargast die verdächtige Geräuschquelle lokalisieren, das Geräusch deutlicher hervorheben und versuchen, es zu identifizieren. »Ziel Alpha läuft aus Bandar-Abbas nach Süden aus. Dem Geräusch nach macht es sich bereit, seine Tanks auszublasen.«
Der Kapitän atmete tief durch. Ihr einziges zugewiesenes Ziel hatte wochenlang nur im Hafen gelegen - aber jetzt lief es aus, und das konnte bedeuten, dass es Schwierigkeiten geben würde. »Ziel Alpha« war die Taregh (Morgenstern), das erste U-Boot der Islamischen Republik Iran. Die im September 1992 von Russland gekaufte Taregh hatte in westlichen Militärkreisen größte Besorgnis ausgelöst, weil ein aggressiver, fundamentalistischer islamischer Staat am Persischen Golf auf diese Weise ein weiteres modernes Waffensystem erhalten hatte.
Obwohl die Iraner ein zweites russisches U-Boot der Kilo-Klasse gekauft und angekündigt hatten, weitere U-Boote kaufen zu wollen, war die Gefahr, dass der Iran den Persischen Golf mit U-Booten füllte und so fast die Hälfte der Rohölförderung der Welt bedrohte, nie Wirklichkeit geworden. Die Taregh hatte sich nie weit von BandarAbbas entfernt und war meistens nur in der Straße von Hormus und dem Golf von Oman zwischen Bandar-Abbas und ihrem noch nicht fertig gestellten Stützpunkt Chah Bahar unterwegs gewesen.
Seit dem letzten Konflikt zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten hatte die U. S. Navy ein Atom-U-Boot zur Überwachung der Taregh abgestellt. Zum Glück war die Taregh sehr leicht zu beschatten - während der iranische Flugzeugträger Ajatollah Ruhollah Chomeini bei kurzen Seegefechten und Luftkämpfen anderer Golfstaaten angegriffen hatte, hatten die U-Boote der Iraner nicht in die Kämpfe eingegriffen. Die Miami hatte sich einfach in der Straße von Hormus, wo sie durch die Schraubengeräusche Hunderter Schiffe getarnt war, vor Bandar-Abbas auf die Lauer gelegt. In dieser Warteposition hatte die Miami ihre Antennen ausfahren, den Funkverkehr der irakischen Kriegsmarine anhören und mehrmals wichtige Meldungen auffangen können. Aber ihr Primärziel, die Taregh, war immer nur zu kurzen Übungsfahrten aus Bandar-Abbas ausgelaufen.
»Wir machen anscheinend einen kleinen Ausflug«, meinte der Kapitän und befahl: »Alle Mann auf Gefechtsstation!« Eine halbe Stunde später verließ die Miami ihren Liegeplatz in der Straße von Hormus und machte erstmals seit fast vier Wochen wieder Fahrt.
Die Beschattung der Taregh war einfach, solange sie aufgetaucht lief. Schiffe mussten ihr ausweichen, deshalb behielt sie ihren geraden Kurs bei, und ihr wulstförmiger Bug und der breite Rumpf machten es notwendig, dass ihre Sechsblattschraube schnell lief, nur damit das U-Boot steuerbar blieb. Die Taregh wurde von zwei Schleppern begleitet, als sie den überfüllten Marinestützpunkt verließ und nach Süden in die Straße von Hormus hinauslief. Einer dieser Schlepper lief zurück, als der Verkehr schwächer wurde, aber der andere blieb bei der Taregh und würde mithelfen, die Schraubengeräusche der Miami zu tarnen. Ihr Kapitän ließ die Entfernung auf zwölftausend Meter anwachsen, was der Höchstreichweite ihres passiven Sonarsystems
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