Brown, Dale - Schattenpilot
trat kurz auf die Bremspedale und spürte, dass er nach vorn gegen die Schultergurte gedrückt wurde - gut, die Bremsen funktionierten! Als er sie stärker trat, reagierte die Megafortress erneut. Bei vollem Umkehrschub trat er die Pedale durch, bis er spürte, dass das ABS ansprach, und hielt sie dann weiter bis zum Anschlag durchgetreten.
Volle Bremswirkung, voller Umkehrschub, aber die schwarze Barriere kam noch immer auf sie zugerast. Ungefähr dreißig Meter hinter dem Fangnetz stand ein massiver Strahlabweiser aus Stahl, und dahinter befand sich die Höhlenwand aus kaltem, tödlichem Granit. Elliott hatte das Gefühl, mit einer U-Bahn auf ein zugemauertes Tunnelende zuzurasen.
Aber dann kamen sie doch noch rechtzeitig zum Stehen: Der abgesenkte Bug der Megafortress verfehlte das Fangnetz um weniger als eine halbe Flugzeuglänge. Außer bei Versuchsflügen war das die kürzeste Landung, die sie alle jemals mit einem Bomber EB-52 gemacht hatten - weniger als sechstausend Fuß Landerollstrecke, rund fünfzig Prozent weniger als normalerweise üblich. Rechts vor ihnen erschien ein Follow-me-Fahrzeug, und ein Mann des Bodenpersonals winkte aufgeregt mit einer gelben Stabtaschenlampe. Elliott nahm die Füße von den Bremspedalen, schaltete die Schubumkehr aus, fasste den Steuerknüppel fester und schob die Antriebshebel behutsam nach vorn.
Beim Rollen durch die Höhle kamen sie sich vor, als führen sie mit einem Wohnmobil durch eine Tiefgarage mit sehr geringer Deckenhöhe. Wohin sie auch blickten, sahen sie begeistert jubelnde taiwanesische Soldaten, die sich wegen des röhrenden Triebwerkslärms, der durch die Höhle hallte, die Ohren zuhielten, obwohl Elliott und Cheshire rücksichtsvollerweise bereits zwei Triebwerke abgestellt hatten. Die EB-52 Megafortress wurde zu einer Abstellposition nur wenige hundert Fuß hinter Jon Masters' Tankund Satellitenstartflugzeug DC-io dirigiert.
Die vier Besatzungsmitglieder der EB-52 wurden sofort von allen Seiten umringt, als sie die untere Einstiegsluke öffneten und aus der Maschine kletterten. Die Ersten, die sie begrüßten, waren Wendy McLanahan, Jon Masters, Paul White und Hai Briggs. Wendy um armte ihren Mann so heftig, dass er um seine Rückenwirbel fürchtete, aber er drückte sie ebenso kräftig an sich und hielt sie lange in dieser Umarmung fest. »Patrick, o Gott, du hättest sehen sollen, wie ihr in die Höhle reingeflogen seid!«, rief Wendy mit Tränen der Freude und Erleichterung in den Augen. »Ich schwor's dir, ihr habt ausgesehen wie eine Fledermaus, die in einer winzigen Felsenhöhle verschwindet! Ich hab' gesehen, wie die Tragfläche nach unten gesackt ist, und fast nicht geglaubt, dass ihr's noch schaffen würdet!«
Dann hatten sie einen Augenblick Zeit, um sich in der unglaublichen Höhle umzusehen, in der sie gelandet waren. Vor ihnen lag ein unterirdischer Flugplatz mit einer sechzig Meter breiten und fast achtzehnhundert Meter langen Landebahn inmitten einer noch viel größeren Höhle! Jenseits der Landebahn standen etwa ein Dutzend taiwanesischer Jäger F-16 - ihre Piloten hatten es tatsächlich geschafft, F-16 Fighting Falcons in einer Höhle zu landen! -, mehrere Hubschrauber 8-70 und einige U-Jagdflugzeuge Grumman S-2 Tracker. Brad Elliott und Patrick McLanahan hatten den schlimmen Verdacht, diese wenigen Maschinen stellten den letzten Rest der Luftwaffe der Republik China dar.
Als Nächstes wurden die vor Staunen sprachlosen Amerikaner von mehreren taiwanesischen Offizieren begrüßt. Der ranghöchste Offizier trat auf sie zu, schüttelte ihnen erfreut lächelnd die Hand und sagte in fließendem Englisch: »Willkommen in Kai-Shan, meine Flying-Tiger-Freunde, willkommen. Ich bin Brigadegeneral Hsiao Jason, Kommandeur dieser Einrichtung. Sie müssen General Elliott sein, und Sie sind Oberst McLanahan.« Beide waren noch zu verblüfft, um gleich zu antworten, was Hsiao ungemein gefiel. »Sie und Ihre Leute leiden unter der Kai-Shan-Psychose, die sich darin äußert, dass man nur zur Höhlendecke aufblicken kann, augenblicklich alle militärischen Umgangsformen vergisst und zu keiner vernünftigen Antwort fähig ist«, sagte der General lächelnd. »Darunter werden Sie noch lange leiden, das versichere ich Ihnen. Folgen Sie mir bitte.«
Tatsächlich war es schwer, den Blick von Details der kühnen Untergrundkonstruktion abzuwenden. Die Höhlendecke bestand aus einem geodätischen Netz aus Stahlbetonwaben, deren zehn Zentimeter breite Stege
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