Brown, Dale - Schattenpilot
entsprach.
Schließlich tauchte die Taregh an der absolut schlechtesten Stelle, die ihr Skipper sich hätte aussuchen können: im schmälsten und seichtesten Teil der Straße zwischen Bandar-Abbas und der Ostspitze der Insel Qeshm. Die Miami konnte dort kaum auf Sehrohrtiefe hinuntergehen, und da die Taregh auch getaucht nur kleine Fahrt lief, war es für sie schwierig, steuerbar zu bleiben. Auch der Schiffsverkehr nahm hier zu. Die Fördertürme und Raffinerien auf Qeshm waren Tag und Nacht in Betrieb, sodass hier ständig Frachter und Tanker verkehrten. Aber die Miami hielt hartnäckig zwölftausend Meter Abstand von der Taregh, auch wenn das iranische U-Boot sich kaum zu bewegen schien.
Dann bekam die Taregh plötzlich viel Besuch: Große, langsame Schiffe drehten bei und schienen sich über dem U-Boot zu versammeln. Andererseits war es unwahrscheinlich, dass die Kriegsmarine des Iran fremde Schiffe so nahe an eines ihrer U-Boote herankommen lassen würde. »Verdammt, was sind das für Schiffe?«, murmelte der Kapitän. »Versorgungsschiffe? Reparaturschiffe?«
»Scheiße, sie kehrt bestimmt um«, sagte der Erste Offizier, während sie warteten. »Irgendwas an Bord ist defekt, und sie können's nicht instand setzen, deshalb wird sie umkehren und ihren Stützpunkt anlaufen.«
»Wir können das leider nicht«, sagte der Skipper. »Aber erst mal abwarten, was sie macht. Wir bleiben auf Distanz, bis sie weiterläuft.«
Sie brauchten nicht lange zu warten. Die Taregh setzte sich wieder in Bewegung und machte nun sogar zwölf Knoten, sodass der Skipper die Miami wieder die Verfolgung aufnehmen ließ. Da ihre Dampfturbinen jetzt schneller liefen, war die Miami im seichten Wasser stabiler und besser steuerbar, und ihr Skipper entspannte sich sogar etwas, obwohl er erst wirklich aufatmen konnte, wenn sie die iranischen Hoheitsgewässer, die Straße von Hormus und damit die schwierigen, unfreundlichen Gewässer des Persischen Golfs verlassen hatten. Das warme, schmutzige, mit Schwebestoffen überfrachtete Wasser in der Straße von Hormus verfälschte die Anzeigen aller Sensoren des U-Boots, sodass es schwieriger war, die vorgesehene Tauchtiefe zu halten und die Gierund Rollbewegungen auszugleichen. Aber die Taregh lief jetzt schneller, nun schon über fünfzehn Knoten, und je mehr Fahrt sie machten, desto stabiler lag die gute alte Miami im Wasser...
»Zentrale, Steuermann.«
Der Skipper drückte die Sprechtaste. »Ja?«
»Wir haben ein Problem. Ich schlage vor, sofort zu stoppen.« »Maschine stopp«, befahl der Skipper sofort - schlägt der Steuermann ein Notfallmanöver vor, ordnet man es an und geht der Sache anschließend auf den Grund. »Hoffentlich haben Sie sich nur getäuscht. Bin unterwegs.« Er beeilte sich, in den Ruderraum zu kommen. Die beiden Rudergänger standen mit ausgestreckten Armen da und schienen mit den Handrädern ihrer Rudermaschinen zu kämpfen; der zwischen ihnen stehende Steuermann beobachtete Tiefenund Fahrtmesser, während Techniker die hydraulischen, pneumatischen und elektrischen Anzeigetafeln kontrollierten. »Was zum Teufel ist passiert?«
»Ich glaube, wir haben uns in irgendwas verfangen«, antwortete der Steuermann ruhig, aber hörbar aufgebracht. »Der Druck auf die Ruder ist gewaltig, aber das Boot reagiert kaum noch.«
»Scheiße«, sagte der Skipper. »Zurück langsame Fahrt.« Er wartete, bis die Vorwärtsgeschwindigkeit der Miami auf null zurückgegangen war, dann befahl er: »Maschine stopp! Beide Ruder mittschiffs!«
»Maschine stopp. Ruder mittschiffs, aye... Sir, mein Ruder ist mittschiffs«, meldeten die Rudergänger.
In einem Druckbehälter auf dem Kommandoturm der Miami befand sich eine Videokamera mit Zoomobjektiv, deren Bild Kapitän und Steuermann jetzt begutachteten. Tatsächlich war das U-Boot mit dem Bug in ein großes schwarzes Netz geraten. Das Netz war so riesig, dass es die ganze vordere Bootshälfte vom Bug mit den Tiefenrudern bis zum Kommandoturm bedeckte. Als sie die Kamera nach achtern schwenkten, zeigte sich, dass Ruder und Schraube vorerst noch frei von dem Netz waren, das aber übers Heck herabzusinken begann. Der obere Netzrand war nicht zu sehen; er schien außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera zu liegen und reichte vielleicht sogar bis zur Wasseroberfläche hinauf.
»Ich glaube, wir haben uns in einem gottverdammten Treibnetz verfangen«, sagte der Steuermann. »Es muss ein paar hundert Meter lang und mindestens fünfzig Meter hoch
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