Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
schenkten ihr
kleine Handarbeiten. Sie bedankte sich überschwänglich,
wusste sie doch den ideellen Wert dieser Gaben zu schätzen. Ob Olivia oder Jared von ihrer Arbeit für das mexikanische Dorf wussten? Zumindest erwähnten sie Laurens Engagement mit keinem Wort.
Eines Morgens erwachte die junge Frau bei Sonnenaufgang von Jareds schweren Schritten, die durch den Gang
hallten. Gespannt lauschte sie. Vor ihrer Schlafzimmertür
stoppte er. Erwartungsvoll setzte sie sich im Bett auf. Ein
langer Augenblick verging. Sie glaubte, das leise Quietschen der Klinke zu hören. Und wurde schwer enttäuscht,
denn Jared stapfte weiter in sein Zimmer.
Sie warf das Laken beiseite, schwang sich aus dem Bett
und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Rannte zur Tür und
öffnete sie einen Spalt breit. »Jared«, rief sie leise.
Er blieb abrupt stehen. Drehte sich langsam zu ihr um,
ließ die Schultern hängen und maß sie mit niedergeschlagenem Blick. »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe,
Lauren. Schlaf noch ein bisschen.«
Sie klammerte sich an den Türrahmen, die Fingerknöchel
weiß von der Anstrengung. »Möchtest du ... brauchst du irgendwas?« Sie verabscheute den bettelnden Unterton in ihrer Stimme, andererseits sehnte sie die trauten Momente der
Nähe und Geborgenheit mit ihm zurück.
»Nein«, erwiderte er brüsk. »Geh wieder ins Bett.« Er lief
ungerührt weiter.
»Jared«, versetzte sie mit mehr Schärfe in der Stimme.
»Ich will wissen, was du machst und wohin du gehst. Sag
mir, dass du mit dieser Sache nichts zu tun hast!«
»Lauren«, brüllte er so laut, dass seine Stimme durch das
ganze Haus schallte. Aufgebracht riss er sich den Hut vom
Kopf, knallte ihn gegen seinen Schenkel und starrte trotzig
zu Boden. Als er den Kopf hob, klang er weicher, fast entschuldigend. »Du bist meine Frau, trotzdem darfst du nicht
erwarten, dass ich dir über alles, was ich tue, Rechenschaft
ablege. Über gewisse Dinge solltest du einfach hinwegsehen ... sie so nehmen, wie sie sind. Mir einfach vertrauen.
Hast du das kapiert?« Vertrauen? Konnte sie ihm vertrauen?
Nichts wäre ihr lieber gewesen. Allerdings hätte sie auch
nie gedacht, dass Jared sich in Olivias obskure Pläne einspannen ließe. Trotzdem wollte sie ihm so gern glauben.
»Ja«, antwortete sie weich. »Ich hab`s kapiert.« Im Stillen
flehte sie: Komm zu mir.
»Damit ist das Thema erledigt.« Jared ging weiter und
verschwand in seinem Zimmer.
Von da an wich Jared seiner Frau bewusst aus. Wenn sie
einander dennoch zufällig über den Weg liefen, erkundigte
er sich höflich nach ihrem Befinden. Das war alles. Er kam
nicht mehr in ihr Zimmer. Und sie ging nicht zu ihm. Irgendwann kam sie gar an einen Punkt, an dem sie ihre intimen Liebesstunden als Produkt ihrer allzu lebhaften Fantasie abtat. Was hatte sie ihm bloß getan?, brütete sie still
vor sich hin. Seine ablehnende Haltung belastete sie sehr
und war im Übrigen unbegreiflich. Olivia blühte in den folgenden Wochen förmlich auf. Ihre weichen Wangen waren
rosig überhaucht, in ihren Augen schimmerte ein erwartungsvoller Glanz. Sie sah mit einem Mal jünger aus, die
Mimikfältchen in ihrem Gesicht waren entspannt. Sie war in
ihrem Element.
Carson, der ewige Dauergast, ging im Haus ein und aus.
Er schien äußerst nervös.
Die Vandivers, fand Lauren, waren das schwerste Kreuz,
das sie zu tragen hatte. Drei- bis viermal speisten sie allwöchentlich mit den Locketts und Carson. Für Lauren waren
diese Diners eine Qual. Dann stocherte Jared lustlos in seinem Essen herum, kippte einen Whiskey nach dem anderen
und feixte verächtlich, wann immer Kurt das Wort an sie
richtete. Wurde der junge Lockett irgendetwas gefragt, reagierte er mit mürrischen, einsilbigen Antworten.
Kurt, dem diese Aversion vermutlich nicht verborgen
blieb, provozierte Jared bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Er war geradezu devot höflich zu Lauren. Jedes Mal,
wenn er seine Hand unter ihren Ellbogen schob, um sie in
ein anderes Zimmer zu geleiten oder ihr in einen Sessel zu
helfen, hätte sie ihm am liebsten den Arm entzogen. Sie war
sehr besorgt, dass Jared seine Drohung wahrmachen und
den jungen Vandiver irgendwann eiskalt abknallen könnte.
Immerhin hatte ihr Mann ihn schon einmal mit der Waffe
bedroht. Kurt hatte die Episode gewiss nicht vergessen.
Lauren war klar, dass Kurt Manschetten vor Jared hatte,
auch wenn er scheinbar lässig darüber hinwegging, dass ihr
Mann ihn förmlich mit Blicken
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