Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
finde es scheußlich.« Sobald sie die
schockierten Mienen gewahrte, setzte sie hastig hinzu: »Ihre Argumentation ist bestimmt richtig, trotzdem ziehe ich
persönlich das anheimelnde Licht der Gaslampen vor.«
»Aus Ihnen spricht eine wahre Romantikerin«, schmeichelte Kurt ihr.
»Gut gebrüllt, Löwe.«
Seine Worte polterten wie Steine in den Raum. Alle blickten zu Jared, der sich in einen der Sessel lümmelte und seit
dem Essen geschwiegen hatte. »Was meinen Sie denn dazu,
Jared?«, ereiferte sich Parker.
»Ich meine«, schnaubte der junge Lockett, »dass wir mit
dem dummen Geschwätz aufhören und zu den Fakten
kommen sollten, Mr. Vandiver.«
»Und was verstehen Sie unter den Fakten?«, schoss Parker
zurück.
Jared erhob sich geschmeidig, schlenderte zum Sideboard
mit den Flaschen und füllte sein Glas randvoll mit Whiskey.
Sein schwarzer Tuchanzug saß tadellos, registrierte Lauren.
Das weiße Oberhemd kontrastierte mit seinem gebräunten
Gesicht, das sich skeptisch verhärtete.
»Fakt ist, dass Sie ein Kraftwerk bauen wollen, mit dem
Sie die Existenz eines anderen Menschen gefährden, wenn
nicht gar zerstören. Für Ihre Generatoren brauchen Sie
Wasser. Und wo finden Sie das in ausreichendem Maße?
Auf dem Gelände der Locketts. Liege ich so weit richtig?«
»Ihre Einschätzung der Faktenlage ist zwar etwas eindimensional, aber sie deckt sich im Großen und Ganzen mit
unserer Planung, ja.« Parker argumentierte sachlich ruhig,
obschon sein Gesicht knallrot anlief und seine Wurstfinger
hektisch an der goldenen Uhrkette herumspielten, die über
seiner Weste spannte.
»Und was ist mit den vielen Menschen, für die das Wasser
Grundlage ihrer Existenz ist? Die Locketts sind seit Generationen stolz auf ihre Wasserreservoirs und den fruchtbaren
Boden. Das ist unsere Haupteinnahmequelle, ja, aber mein
Vater nahm auch mal ein Lamm oder zwei als Bezahlung,
bisweilen bloß einen kleinen Korb Mais nach einer schlechten Ernte. Jahrelang billigte Ben, dass die kleineren Rancher ihre Herden kostenlos auf unseren Weiden tränkten.
Was passiert mit diesen Leuten, wenn sie kein Wasser mehr
haben?«
Lauren lauschte gespannt. Jared artikulierte sich gewählt
und informiert. Die dichten Brauen, die sie so sehr an Ben
erinnerten, wölbten sich kritisch. Seine Argumentation duldete keinen Widerspruch.
»Mr. Lockett ... Jared«, wandte Parker bemüht nachsichtig
ein, »vielleicht verstehe ich mich besser aufs Geschäftliche
als Sie. Immerhin verfüge ich über dreißig Jahre Erfahrung.
Bei jedem unternehmerischen Wagnis gibt es Gewinner und
Verlierer. Das ist ein Grundprinzip der Ökonomie.« »Reden
Sie nicht mit mir, als wäre ich ein Idiot, Vandiver. Ich habe
ein Wirtschaftsdiplom aus Harvard, worauf meine Mutter
sehr stolz ist. Bitte fahren Sie fort, ich kann Ihrer Argumentation gewiss folgen.« Jared prostete dem Mann spöttisch
zu.
»Also gut, reden wir Tacheles«, konterte Parker. »Sie wollen etwas von mir, und ich will etwas von Ihnen. Wir einigen
uns darauf, dass Sie Ihre Eisenbahnlinie bekommen. Dafür
bekommen wir im Gegenzug unser Kraftwerk. Damit machen wir beide Profit.«
»Parker, ich glaube nicht, dass es erforderlich ...«
»Carson, unterbrich ihn nicht«, schnitt Jared ihm scharf
das Wort ab. Verblüfft registrierte Lauren, dass Carson widerspruchslos gehorchte. »Ich möchte Folgendes klarstellen. Mr. Vandiver und Sohn«, höhnte er Letzteres, »haben
die lange Fahrt von Austin hierher gemacht und uns detaillierte Pläne für den Bau der TransPlains Railroad nach Coronado vorgelegt.« Jared trank einen tiefen Schluck Whiskey. »Es wäre doch jammerschade, wenn sie den weiten
Weg umsonst gemacht hätten.«
Lauren lauschte fasziniert. Dieser Mann war ihr ein Rätsel. Draufgängerischer Cowboy, mustergültiger HarvardAbsolvent, erfolgreicher Geschäftsmann? »Vandiver«, fuhr
Jared fort, »Kerrville hat seit einigen Jahren eine Bahnanbindung. Comfort und Fredericksburg bekommen demnächst eine. Wie kommen Sie darauf, dass wir mit unseren
Viehtransporten, den Granitbrüchen und der expandierenden Holzwirtschaft beim Bau einer Eisenbahnlinie auf Ihre
Unterstützung angewiesen sein könnten?«
»Hör auf damit, Jared. Du bist betrunken und beleidigst
unsere Gäste«, fauchte Olivia mit versteinerter Miene.
»Lassen Sie ihn doch, Olivia. Er hat eine einfache Frage
gestellt, auf die ich ihm eine einfache Antwort geben kann.«
Parker nickte ihr höflich zu, ehe er sich wieder
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