Brown Sandra
fragte sie ängstlich.
»Du ungläubige Seele. Natürlich komme ich.« Er senkte die Stimme und fügte hinzu: »Ich habe vor, an diesem Wochenende ziemlich oft zu kommen.« Sie kicherte. »Was machst du gerade?«
»Ich bereite ein paar Überraschungen für dich vor.«
»Hmmm. Kann’s kaum abwarten. Ist das etwa mein Sohn, den ich da im Hintergrund höre?«
»Ja, er meckert, weil er hört, daß ich mit dir spreche.«
»Sag ihm, daß ich in ein paar Stunden bei euch bin.«
»Fahr vorsichtig, Dillon. Das Wetter ist scheußlich.«
»Ich bin in Null Komma nix bei euch.«
Das unfreundliche Wetter konnte ihn nicht von der Fahrt abhalten, aber es erschwerte sie erheblich. Florida wurde von einer Rekordkälte heimgesucht. Es regnete heftig. Ab und zu prasselte sogar Schneeregen auf seinen Helm, und ihm froren die Finger in den Lederhandschuhen ein. Er hatte sich noch nie so gefreut, endlich in Tallahassee anzukommen.
Als er die Haustür aufschloß, wurde er von verführerischen Düften aus der Küche begrüßt. Auf dem Eßtisch standen eine Vase mit frischen Blumen und ein Schokoladenkuchen, den sein Name zierte. Im Ofen brutzelte ein Braten.
»Debra?« Er legte Helm und Handschuhe auf einen Stuhl und ging nach hinten zu den Schlafzimmern. »Bist du in der Wanne?« Er sah in Charlies Zimmer nach, doch die Wiege war leer. »Wo steckt ihr beiden? Gehört das zur Überraschung?«
Dillon öffnete die Tür zum Schlafzimmer und blieb auf der Schwelle stehen. Seine Frau und sein Sohn schlummerten friedlich auf dem großen Bett. Charlie lag sicher im Arm seiner Mutter. Ihr wunderschönes goldenes Haar breitete sich über das ganze Kissen aus. Dillons Herz floß über vor Liebe. Sie hatte sich verausgabt, um ein ganz besonderes Wochenende für ihn vorzubereiten. Er ging zum Bett, setzte sich auf die Kante und streichelte ihre makellose Wange.
In diesem Moment entdeckte er, daß sie gar nicht schliefen.
***
Es kam öfter vor, daß Haskell Scanlan Überstunden machte, doch an diesem Abend blieb er besonders lange im Büro. Es war bereits dunkel, als er das Gebäude verließ. Sein Wagen war der letzte auf dem Parkplatz.
Eine große, finstere Figur stellte sich ihm in den Weg. Noch ehe Scanlan aufschreien konnte, traf ihn ein Schlag wie ein Hammer ins Gesicht. Er verlor sämtliche Vorderzähne, und sein Kopf krachte mit solcher Wucht nach hinten, daß er zwei Monate lang ein Halskorsett tragen mußte. Bevor er zu Boden ging, packte ihn eine Hand am Kragen, und er bekam einen zweiten Schlag versetzt. Dieser brach ihm den Kiefer. Der letzte Schlag, in die Körpermitte, zerriß ihm die Milz.
Nach einer Woche im Krankenhaus kam er zu Bewußtsein und konnte der Polizei endlich mitteilen, wen er verdächtigte.
Der Polizeiwagen hielt vor der Adresse, die er angegeben hatte. Niemand öffnete auf das Klingeln. Die beiden Officer erkundigten sich bei der Nachbarin.
»Ich habe ihn schon seit der Beerdigung nicht mehr gesehen«, sagte sie.
»Beerdigung?«
»Seine Frau und sein Sohn sind vor drei Wochen umgekommen. Erstickt. Wissen Sie noch, dieser furchtbare Schneesturm? Mrs. Burke hat die Heizung angedreht, bevor sie sich hingelegt hat. Die Heizung lief zum erstenmal in diesem Herbst, und irgendwie funktionierte der Abzug nicht. Sie starben im Schlaf. Mr. Burke hat sie gefunden, als er nach Hause kam.«
»Und Sie wissen nicht, wo er jetzt ist?«
»Ich habe ihn schon über eine Woche nicht mehr gesehen. Ich dachte, er wäre an seiner Arbeitsstelle.«
Die Polizisten besorgten sich einen Durchsuchungsbefehl und brachen die Tür auf. Soweit sie es beurteilen konnten, war seit dem Tag des Unglücks nichts verändert worden. Auf dem Tisch stand eine Vase mit verwelkten Blumen, daneben ein Schokoladenkuchen, über den bereits die Ameisen hergefallen waren.
Niemand auf der Baustelle in Mississippi hatte Burke seit dem bewußten Donnerstag gesehen. Seine Mitarbeiter drückten ihre Trauer über den Tod seiner Familie aus. »Er war völlig vernarrt in den Jungen«, sagte einer. »Hat von nichts anderem geredet.«
»Und was war mit seiner Frau?«
»Ihr Bild hängt noch in seinem Wagen. Er hat sie nicht betrogen, wenn Sie das meinen.«
Haskell Scanlan erstattete nie offiziell Anzeige. Der einzige Verdächtige war von der Bildfläche verschwunden. Es schien, als ob er vor allem davongelaufen war.
Kapitel 16
Palmetto, South Carolina, 1987
»Eine Scheiß-Schwuchtel! Ist das zu glauben?« Neal Patchett schüttelte fassungslos den Kopf und nahm noch einen
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