Brown Sandra
Schluck von seinem Bourbon mit Wasser.
Hutch Jolly war von der Neuigkeit genauso geschockt wie Neal. Er sagte nur nicht, was er dachte. »Ich hab’ in den letzten Jahren nicht so viel mit Lamar zu tun gehabt«, merkte er an. »Jedenfalls nicht soviel wie du.«
»Was, zum Teufel, soll das heißen?« fragte Neal wütend.
»Mann, gar nichts. Nur, daß ich eben nicht soviel mit ihm zu tun gehabt habe. Fandest du ihn irgendwie anders als früher?«
»Nein, und das kann nur eines bedeuten.«
»Und was, bitte?«
»Er war schon immer schwul«, sagte Neal. »Die ganzen Jahre, in denen er uns nicht vom Pelz gerückt ist, war er schon ’ne Schwuchtel. Mann, mir kommt das Kotzen, wenn ich daran denke. Ich hab’ mit dem Typen zusammengewohnt! Gott!«
Bis jetzt hatte sich Donna Dee bei dem Gespräch zurückgehalten. »Es ist zum Kotzen, wie ihr über jemanden redet, der gerade gestorben ist. Mir ist egal, ob Lamar schwul war. Er war ein menschliches Wesen. Er war unser Freund. Er tut mir leid.«
Neal schnaubte. »Du solltest deiner Lady mal klarmachen, wo’s lang geht, Hutch. Wenn ihr ’ne Schwuchtel wie Lamar so leid tut, sollte sie vielleicht auch besser nach San Francisco gehen wie er. Weißt du, spätestens da hätte mir ’n Licht aufgehen müssen. Erst zieht er bei mir aus, dann tönt er ’rum, von wegen er haut ab, nach Kalifornien, sobald die Uni zu Ende ist. Keiner, der noch alle beisammen hat, würde doch mit diesen Freaks leben wollen, wenn er nicht selber einer ist. Ich hätte merken müssen, daß er ’ne Tunte ist.«
Donna Dee wollte etwas sagen, aber Hutch warf ihr einen warnenden Blick zu. Er fragte: »Haben wir vielleicht noch etwas von dieser Muschelsoße, Liebes?«
Wütend stürmte sie aus dem Zimmer in die Küche. Sie war in letzter Zeit ziemlich runter mit den Nerven. Erst kürzlich hatte sie rumgenörgelt, sie wolle ein größeres Haus. Dieses hier hatten sie nach Hutchs Aufenthalt in Hawaii gekauft. Es war nicht viel besser als das, das sie zuerst gehabt hatten, aber mehr konnten sie sich momentan nicht leisten. Eigentlich benutzte Donna Dee das Haus – wie vieles andere auch – nur als Ausrede für ihre schlechte Laune. Hutch ignorierte das Knallen der Schranktüren und das Geklapper des Geschirrs nebenan und mixte seinem Gast einen neuen Drink.
Neal war noch immer bei Lamar Griffith. »Du weißt schon, diese Krankheit, an der er gestorben ist– wie heißt die noch mal?«
»AIDS«, sagte Donna Dee, als sie mit einem Tablett Chips und Soße wieder hereinkam.
»Mein Daddy meint, daß nur Schwule das kriegen können. Beim Arschvögeln. Mann, ist das ’n Abgang.«
Hutch tunkte einen Kartoffelchip in die Soße. Seine Muskeln vom Football hatten sich größtenteils in Fett verwandelt, doch sein Sportlerappetit war geblieben. »In der Zeitung stand, daß er an einer Lungenentzündung gestorben ist«, nuschelte er mit vollem Mund.
»Ja, das hätte Myrajane wohl gern, daß man das glaubt«, sagte Neal. »Sie hat Lamar noch nicht mal bei den anderen Cowans, auf die sie so verdammt stolz ist, bestatten lassen. Er wurde in Kalifornien verbrannt. Wahrscheinlich war der Haufen Asche nicht höher als so …« Er zeigte ungefähr fünf Zentimeter mit den Fingern. »Ich hab’ gehört, er soll zum Schluß unter hundert Pfund gewogen haben.«
Er lachte. »Gott, stell dir mal die Beerdigung vor … Das muß ’ne Show gewesen sein – ein Haufen schniefender Schwuchteln.« Neal sang im Falsett: »Oh, mein Gott, was sollen wir nur ohne unseren süßen Lamar machen?«
Donna Dee sprang auf. »Du bist und bleibst ein Arschloch, Neal Patchett.« Sie stürmte zum zweitenmal hinaus. Sekunden später hörte man die Schlafzimmertür knallen.
Neal rollte die Zunge in der Wange. »Deine alte Lady ist ja wirklich ’ne Stimmungskanone, Hutch.«
Hutch starrte hinter Donna Dee her. »Ich mußte in letzter Zeit ein paar Überstunden schieben. Sie mag es nicht, abends allein zu sein.«
Der einzige Job, den Hutch nach seinem Austritt aus der Navy hatte finden können, war eine Stelle auf der Sojaplantage. Donna Dee haßte es, daß er für die Patchetts arbeitete, aber das sagte er Neal lieber nicht. Wieder aufs College zu gehen, war nie in Frage gekommen; abgesehen davon, daß das Geld nicht reichte, mangelte es ihm an Initiative.
Donna Dee arbeitete in der Praxis eines Gynäkologen am Empfang. Einer der Vorteile dieses Jobs waren die kostenlosen Behandlungen. Seit fast zehn Jahren waren sie jetzt verheiratet, und Donna Dee war
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