Brown Sandra
den Kopf. »An dem Bau liegt mir nichts, nicht so wie in Versailles. Sobald mir was Besseres angeboten wird, gehe ich. Ich habe mich bereits in der ganzen Stadt beworben. Früher oder später werde ich Rückmeldungen kriegen.
Scanlan hat mir nicht verziehen, daß ich ihn in Frankreich ausgebootet habe. An Forrest G. hat er sich schon gerächt, und jetzt bin ich dran. Er stellt mich vor die Wahl, entweder einen Scheißauftrag anzunehmen oder mich wieder in einen dieser verdammten Glaskäfige einsperren zu lassen. Er denkt, ich wählte aus Bequemlichkeit das Letztere. Aber diesen Gefallen tue ich der miesen Ratte nicht.«
Mit Charlie im Arm beugte er sich zu seiner Frau und küßte sie auf die Schläfe. »Vertrau mir, Debra. So ist es am besten. Die Wochen werden so schnell vorbeigehen, du wirst gar nicht die Zeit haben, mich zu vermissen.«
Doch leider war der Auftrag nicht so schnell zu erledigen, wie Dillon gehofft hatte. Seine Unterkunft in Mississippi war armselig, doch davon sagte er Debra nichts, weil sie sich so tapfer hielt.
Es war einfach kein Ende regnerischer Herbst führte Baumaßnahmen im Süden brachlagen. Es kam zu erheblichen Verzögerungen. Und niemand stellte Bauingenieure ein, egal wie intelligent, begabt und ehrgeizig sie auch sein mochten.
Dillon hatte in Atlanta ein neues Auto gekauft. Er überließ es Debra und fuhr die lange Strecke an den Wochenenden auf einem gebrauchten Motorrad. Am späten Freitagabend kam er daheim an und mußte am frühen Sonntagnachmittag wieder in Sicht. Ein ungewöhnlich dazu, daß die gesamten aufbrechen. Das ließ ihm kaum Zeit, sich zu erholen.
Die Arbeit selbst war wenig anregend. Es ging darum, die Innenräume zu renovieren. Er ließ brüchige Wände ersetzen, restaurierte abbröckelnde Decken und erneuerte Böden. Das Gebäude war alt und häßlich, und das würde es auch im renovierten Zustand bleiben. Und dennoch arbeitete er mit demselben Anspruch, mit dem er ein neues Gebäude errichtet hätte. Er fuhr eine harte Linie und verlangte hundertprozentigen Einsatz von seinen Arbeitern. Es war für ihn eine Frage des Stolzes. Davon abgesehen wollte er Scanlan nicht in die Hände arbeiten. Der konnte ihn wegen allem möglichen entlassen, aber niemals wegen schlampiger Arbeit.
Die Situation führte zu familiärem Streß. Weil Debra und er soviel in ihre gemeinsamen Wochenenden legten, wurde aus Freude bald Strapaze. Dazu kamen Reparaturen im Haushalt, die Debra nicht durchführen konnte. Normalerweise hätte Dillon diese kleinen Pflichten gern erledigt, doch jetzt kam es ihm vor, als würde er kostbare Stunden verlieren, die er lieber damit zugebracht hätte, mit Debra zu schlafen, sich auszuruhen oder mit seinem kleinen Sohn zu spielen.
Obwohl in ihrer Nachbarschaft viele junge Familien wohnten, bekamen sie keinen Anschluß. Das wirkte sich allmählich auf Debra aus. Sie verbrachte die Wochen allein mit einem kleinen Baby. Sie vergötterte Charlie und war ihm eine hervorragende Mutter, aber sie hatte keine Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, und sie schien es zudem abzulehnen, sich in die Nachbarschaft einzufügen. Dillon entdeckte Anzeichen einer Depression bei ihr, und das machte ihm angst.
Eines Sonntagnachmittags, als er gerade nach Mississippi aufbrechen wollte, nahm er sie in die Arme und sagte: »Ich nehme mir nächsten Freitag frei und komme einen Tag früher. Meinst du, du erträgst mich ein bißchen länger als sonst?«
Ihr Lächeln war zaghaft, aber strahlend. »Oh, Dillon, ehrlich? Das wäre wunderbar …«
»Dieses Wochenende habe ich es leider nicht geschafft, alle Punkte auf deiner Mängelliste abzuhaken. Aber nächste Woche werde ich jede Menge Zeit dafür haben, und wir können trotzdem herrlich faul sein. Besorg schon mal für Samstag einen Babysitter. Wir machen uns schick und gehen aus. Essen. Ins Kino. Was du willst.«
»Ich liebe dich«, sagte Debra und drückte sich an ihn. Sie hielten sich in den Armen und küßten sich, bis sie vor der Wahl standen, entweder ins Bett zu gehen oder sich zu trennen. Seufzend nahm Dillon seinen Motorradhelm. Debra brachte ihn zur Tür. Sie hatte Charlie auf dem Arm, der schon winken konnte.
Dillon wollte seinen freien Tag nicht extra bei Scanlan anmelden, also schmierte er einen seiner Vorarbeiter, damit der den Bau am Freitag für ihn leitete. Es kostete ihn lediglich einen Kasten Bier.
Am Donnerstagnachmittag rief er Debra an. »Du willst mir doch hoffentlich nicht sagen, daß du nicht kommst, oder?«
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