Brown Sandra
Kopf unter sein Kinn. »Was dir angetan wurde, ist ein Verbrechen. Ein gemeines, verabscheuungswürdiges, grausames Verbrechen. Es hatte nichts mit Sex zu tun.«
»Das weiß ich, Dillon.«
»Sexuelle Intimität zwischen zwei Menschen, die sich lieben und füreinander da sind …«
»… ist etwas gänzlich anderes«, beendete sie den Satz für ihn. »Glaubst du, ich habe diesen Satz von der Psychologin nicht so oft gehört, bis er mir zu den Ohren herauskam? Nein, ich gebe mir nicht unterbewußt selbst die Schuld. Ja, ich war wütend auf das sexistische Rechtssystem, so, wie ich auf die Männer wütend war. Nein, ich glaube nicht, daß alle Männer Barbaren sind. Nein, ich fühle mich nicht zu Frauen hingezogen. Nein, ich will nicht alle Männer kastriert wissen.«
»Da bin ich aber erleichtert.«
Sie hob erneut den Kopf, und als sich ihre Blicke trafen, fing sie plötzlich an zu lachen. Sie lachten mehrere Minuten lang, und das machte sie schwach. Sie hielten einander fest.
Dann hörten sie beide im selben Augenblick wieder auf zu lachen. Im einen Moment waren sie noch ausgelassen. Im nächsten sahen sie einander atemlos und angespannt tief in die Augen.
Dillons Brust schmerzte. Sein Blick ging zu Jades Lippen. Sie formten seinen Namen. »Dillon?«
Er schloß schnell die Augen. »Gott, ich möchte dich küssen. Ich möchte mit dir schlafen. Ich möchte dir zeigen, wie es wirklich ist, wie es sein kann. Ich möchte, daß du mich liebst.«
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, daß sie ihn verblüfft anschaute. Ihre Lippen zitterten. Er war versucht, ihren Mund an seinen zu heben, um herauszufinden, wie ihr Blick gemeint war. Er hoffte, sie sah ihn so an, weil er sie erregt hatte– nicht abgestoßen.
Er streichelte ihr Haar. Er sehnte sich danach, das Zittern ihrer Lippen mit sanften Küssen zu beruhigen und die Sorgenfalte auf ihrer Stirn fortzumassieren. Er wünschte sich, sie vor Leidenschaft atemlos zu sehen, nicht vor Angst.
Aber wenn er es falsch anfing, bewirkte er wahrscheinlich genau das Gegenteil. Und so löste er sich behutsam aus der Umarmung, stand auf und half ihr hoch. Wehmütig sagte er: »Ein andermal.«
***
Das Haus war dunkel. Dillon hatte darauf bestanden, Jade nach Hause zu bringen, und er war erst wieder gefahren, als sie sicher drinnen war. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel von Cathy; sie hatte Kopfschmerzen gehabt und war früh zu Bett gegangen; Jade sollte die Kasserolle, die für sie im Kühlschrank stand, einfach in die Mikrowelle stellen. Aber sie war nicht hungrig genug, um sich die Mühe zu machen. Sie verriegelte das Haus für die Nacht und ging hinauf. Durch den Spalt unter Grahams Tür fiel noch ein Lichtstrahl. Sie klopfte an und öffnete. Graham lag im Bett und sah fern, scheinbar ohne großes Interesse. »Darf ich reinkommen?«
»Ist doch dein Haus.«
Sie reagierte nicht auf die spitze Bemerkung, ging zu ihm und setzte sich ans Fußende. »Schon verstanden. Du bist sauer auf
mich.«
Er rang mit sich, ob er weiter schmollen oder seinen Ärger rauslassen sollte, und entschied sich für das Letztere.
»Wärst du nicht sauer auf mich, wenn ich dich vor allen blamiert hätte? Gott, Mom, du hast mich vor Dillon und Mr. Patchett behandelt wie ein Baby!«
»Graham, ich weiß, es muß dir komisch vorgekommen sein, wie ich mich heute verhalten habe. Aber glaub’ mir, ich war wirklich wütend.«
»Du bist wegen nichts an die Decke gegangen! Es war noch nicht mal so spät, als ich kam.«
»Darum ging es ja auch gar nicht. Ich war wütend, weil du mit Neal gefahren bist.«
»Warum? Er war echt nett. Außerdem kennst du ihn, was war also schlimm daran?«
»Das Schlimme daran war, daß ich ihn zu gut kenne. Er ist nicht nett.«
»Zu mir aber schon«, murrte Graham beleidigt.
»Darauf würde ich wetten. Er kann charmant sein, aber in Wahrheit ist er bis ins Innerste verdorben. Das mußt du mir einfach glauben, Graham. Halte dich von ihm fern. Er kann gefährlich sein.« Graham schnaubte. »Ich meine es ernst. Wenn er sich das nächste Mal an dich ranmacht, sag mir bitte sofort Bescheid.«
Graham sah sie nachdenklich an. »Du bist so anders, Mom.«
»Anders?«
»Du bist immer so nervös, seit wir hierhergezogen sind.«
»Mein Job nimmt mich ziemlich in Anspruch, Graham. Ich muß mich nicht nur um TexTile kümmern, sondern auch noch Land ankaufen und die …«
»Willst du eigentlich das Land von den Parkers kaufen?« Jade sah ihn überrascht an. »Woher weißt du das?« »Hat Mr.
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