Brown Sandra
Bosses einen Vergewaltiger …«
»Das stimmt. Er war als Zweiter dran. Und er war der Gröbste von allen. Und auch der Größte. Er hat mich fast erdrückt.« Sie merkte nicht, wie stark sie die Fäuste zusammenballte, bis sie anfingen zu schmerzen. Sie starrte auf ihre Hände hinunter und entdeckte vier Halbmonde in ihren wunden Handflächen.
»Sie sollten besser den Sheriff benachrichtigen«, riet Dr. Harvey dem Deputy.
»Gute Güte«, sagte dieser und erhob sich widerwillig. Dann rieb er sich mit der Hand über das junge, runde Gesicht. »Mir schwant Böses. Wenn ich Sheriff Jolly erzähle, daß sein Sohn und der Junge von Ivan Patchett der Vergewaltigung beschuldigt werden, dann ist die Scheiße am Dampfen…«
***
Eine Stunde später saß Jade allein im Verhörraum. Es roch nach Angstschweiß und Tabakqualm. Der Deputy hatte sie unverzüglich ins Gerichtsgebäude gefahren und in dieses Zimmer gesteckt, als wolle er sich von der ganzen schmutzigen Sache so schnell wie möglich reinwaschen.
Jade war sich sicher, daß es noch viel schmutziger werden würde, bevor es vorbei war. Die rechtliche Seite war schon verzwickt und unangenehm genug, aber sie war nichts gegen die persönlichen Auswirkungen, die die letzte Nacht für sie haben würde. Wie sollte sie es nur Gary sagen?
Sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken, oder sie würde verrückt werden. Sie mußte sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren– zum Beispiel auf Donna Dee. Jade machte sich Sorgen um ihre Freundin. Es war nicht unwahrscheinlich, daß die drei, nachdem sie mit ihr fertig gewesen waren, zu Donna Dee zurückgefahren waren und ihr dasselbe angetan hatten. Vielleicht war das Teil von Neals Plan gewesen– sie zu trennen und damit völlig wehrlos zu machen. Donna Dee konnte verletzt sein, irgendwo bewußtlos am Straßenrand liegen… oder sogar tot sein.
Sheriff Fritz Jolly betrat den Raum und riß Jade aus ihren Gedanken. Er trug Jeans und ein Pyjamaoberteil aus Flanell unter einer Tarnjacke statt seiner Uniform. Offensichtlich kam er direkt aus dem Bett. Rostrote Bartstoppeln sprossen auf seinem Kinn und seinen Wangen.
»N ’abend, Jade.«
»Hallo, Sheriff Jolly.«
Sie verkaufte ihm manchmal Kautabak im Laden. Stets waren
sie freundlich miteinander umgegangen. Jetzt ließ er seinen massigen Körper auf den Stuhl gegenüber ihrem sinken und faltete die Hände über dem zerkratzten Tisch.
»Ich habe gehört, du bist heute nacht in Schwierigkeiten geraten?«
»Ich bin nicht in Schwierigkeiten geraten, Sheriff Jolly.«
»Na, dann erzähl mal.«
»Kann ich warten, bis meine Mutter da ist?« Sie wollte die Geschichte nicht noch einmal wiederholen müssen. »Der Arzt im Krankenhaus hat versprochen, sie anzurufen und sie hierher zu schicken.« Der Deputy hatte ihr keine Zeit gelassen, den Anruf selbst zu tätigen.
»Velta sitzt bereits hinten, im Revier, wartet und will wissen, was los ist«, sagte er. »Ich würde gerne hören, was du zu sagen hast, bevor wir sie reinbringen.«
»Warum hat man mich hier in den Verhörraum gebracht?«
»Weil es hier ruhig ist und wir ungestört sind.«
Jade starrte ihn mißtrauisch an. » Ich habe nichts Falsches gemacht.«
»Das hat niemand behauptet. Was ist passiert?«
Er gewann das Wettstarren. Jade senkte den Blick auf ihre geballten Fäuste und holte tief Luft. »Neal, Hutch und Lamar kamen mit dem Wagen vorbei, als Donna Dee und ich ohne Benzin liegengeblieben waren. Sie haben mich gegen meinen Willen in Neals Auto mitgenommen. Sie haben mich an eine Stelle gebracht, an der sie am Nachmittag Angeln und Bier trinken waren. Und sie…« Jade hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Sie haben mich nacheinander vergewaltigt.«
Eine Weile starrte er sie an, sagte aber nichts.
Jade fügte hinzu: »Ich habe Angst, daß Donna Dee auch vergewaltigt worden sein könnte…«
»Der Deputy hat mir bereits gesagt, daß du nach ihr gefragt hast. Ich habe bei ihr zu Hause angerufen. Ihr ist nichts passiert.«
Jade seufzte erleichtert auf. »Gott sei Dank.«
Seine Stimme klang tief und vertrauenerweckend, als er sagte: »Das ist eine sehr schwerwiegende Anschuldigung, die du gegen die Jungs erhebst, Jade.«
»Vergewaltigung ist ein schweres Verbrechen.«
»Es fällt mir nicht leicht zu glauben, daß die so was tun könnten.«
»Es fiel auch mir nicht leicht. Gestern um diese Zeit hätte ich es auch nicht für möglich gehalten.«
»Nun«, sagte er, »warum erzählst du mir dann nicht, was wirklich passiert
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