Brown Sandra
Frauen würden lieber sterben, als von einem Schwarzen vergewaltigt zu werden.«
Jade schnellte hoch, umrundete den Stuhl, griff ihn bei der Lehne und ging in Kampfstellung. »Sie denken also, ich wurde von einem Schwarzen aufgelesen, vergewaltigt und würde jetzt Ihren Sohn und die anderen als Sündenböcke benutzen, richtig? Ist das Ihre Theorie?«
»Ich muß alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, Jade. Und ganz besonders, wenn mein eigener Sohn eines schweren Verbrechens beschuldigt wird.«
»Nun, warum stellen Sie dann nicht Hutch diese Fragen, anstatt mich zu verhören?«
»Das werde ich auch tun.«
Kurz danach erlaubte er Velta hereinzukommen. Jade war geschockt, ihre Mutter, die für gewöhnlich tadellos aussah, so durcheinander und zerzaust zu sehen. Velta rauschte in den Verhörraum und schubste beinahe Sheriff Jolly zur Seite.
»Jade! Was ist passiert? Keiner wollte mir etwas Genaues sagen. Wo bist du gewesen?«
Das letzte, was Jade in diesem Moment gebrauchen konnte, waren noch mehr Fragen. Sie wollte in den Arm genommen und getröstet werden. Statt dessen verlangte ihre Mutter Antworten. Jade dachte, daß sie an ihrer Stelle vielleicht genauso reagiert hätte, doch das machte die Situation nicht besser.
Velta verzog keine Miene, als Jade ihr berichtete, was geschehen war. Nach mehreren Sekunden bloßen Starrens wiederholte Velta wie betäubt: »Vergewaltigt?«
»Ja, Mama.«
Betreten strich sie ihrer Tochter die lockigen Strähnen aus dem Gesicht. »Wer war es?«
Als Jade es ihr sagte, zog Velta die Hand zurück, als hätte Jades Haar ihr einen elektrischen Schlag versetzt. »Das ist… das ist verrückt, Jade. Du kennst diese Jungs dein ganzes Leben lang. Die würden so etwas niemals tun.«
»Sie haben es aber getan.« Jades Augen füllten sich mit Tränen. »Glaubst du mir etwa nicht, Mama?«
»Natürlich glaube ich dir, Jade. Natürlich.«
Jade zweifelte an der Antwort, doch ihr fehlten der Wille und die Energie, ihre Mutter zu überzeugen. Auf Drängen des Sheriffs erzählte sie die Geschichte noch einmal für Velta. Als sie fertig war, verließ er den Raum und sagte, er käme bald zurück. Velta und ihre Mutter hatten sich nichts zu sagen, als sie allein waren. Velta fragte sie, ob es ihr gut ginge, und weil die Frage so absurd war, antwortete Jade schlicht mit Ja. Das kurze Streicheln über das Haar blieb ihre einzige Berührung.
Bei Tagesanbruch erschien ein Hilfssheriff mit einer Tasse Kaffee für Velta. Jade bat um ein Sodawasser, um ihre rauhe Kehle zu befeuchten. Das Schlucken war schmerzhaft, nicht zuletzt wegen der ungeweinten Tränen, die sich in ihrer Kehle stauten.
Plötzlich schwang die Tür des Raumes auf. Jade schreckte hoch, sie mußte vor Erschöpfung eingenickt sein. Sie stieß einen kleinen, ängstlichen Schrei aus, als sie sah, daß Neal Patchett in der Tür stand.
Ihr Atem ging flach und kurz, als wäre sie gerannt. »Was tut er hier?«
Ivan Patchett und Sheriff Jolly zwängten sich hinter Neal ins Zimmer. »Du wirfst mit ganz schön wüsten Beschimpfungen um dich, junge Dame«, sagte Ivan zu Jade. »Als Fritz mich anrief und mir sagte, was hier los ist, habe ich darum gebeten, daß du es meinem Jungen direkt ins Gesicht sagst. Hi, Velta.«
Velta reagierte auf Ivans Erscheinen beinahe genauso, wie Jade auf Neals reagiert hatte. »Hallo, Ivan.«
»Diese beiden jungen Hüpfer machen uns heute morgen’nen schönen Ärger, was?«
»Ja.«
»Ich mache überhaupt keinen Ärger!« protestierte Jade gegen Ivans Versuch, ihre Mutter zu seiner Verbündeten gegen zwei ›ungezogene Gören‹ zu machen. »Es wurde mir etwas angetan. Ich habe keine Schuld!«
»Ach, komm schon, Jade«, sagte Neal. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß dir irgendwer hier’ne Vergewaltigung abkauft …«
»Ich muß gar nichts beweisen. Die Fotos, die im Krankenhaus aufgenommen worden sind, reichen als Beweis. Der Laborbefund wird bestätigen, was ich sage.«
Neal setzte sich auf die Tischkante. »Ich behaupte ja nicht, daß da nichts gelaufen ist«, sagte er sanft. »Ich sage nur, daß du die Tatsachen ein bißchen verdrehst.«
»Das tue ich nicht!« Wenn die Stuhllehne es zugelassen hätte, wäre sie noch weiter vor Neal zurückgewichen. So gut wie er einerseits aussah, so sehr fühlte sie sich andererseits von ihm abgestoßen.
»Das reicht jetzt, setzen wir uns.« Sheriff Jolly übernahm das Kommando. »Neal, du kommst besser hierher.« Er bedeutete auf einen Platz an der Wand. »Ivan, du kannst diesen Stuhl
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