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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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worden war, begannen in den Atlantic Studios in Manhattan die Aufnahmen zu Bruce’ viertem Album. Auch wenn sich gegenüber dem Vorgängeralbum einiges geändert hatte – Landau und Bruce fungierten nun gemeinsam als Produzenten und Van Zandt half ihnen bei den Arrangements –, stellte sich die gesamte Truppe auf eine lange, arbeitsreiche Zeit ein.
    Es begann mit Max Weinbergs Schlagzeug und dem scheinbar unlösbaren Problem, einen vernünftigen Mikrofonaufbau zu finden, der den Drumsound ordentlich einfing, ohne dass das Klicken der Sticks bei jedem Schlag auf das Trommelfell zu hören war. Später stellte sich heraus, dass das Studio falsch ausgerüstet war. Für Bittan war die aufreibende Suche nach dem wahren, reinen Drumsound ein Stück weit auch reine Verzögerungstaktik: der un bewusste Versuch eines ehrgeizigen Künstlers, sich vor der zermürbenden Quälerei zu drücken, ohne die man nicht das Beste aus sich herausholen kann.
    Die Sessions zogen sich den Sommer über hin. Im September wechselte man in die Record Plant Studios, in denen bis zum Januar 78 aufgenommen wurde. Anders als bei den Sessions zu Born to Run spielte man während dieser neun Monate rasch einen Song nach dem anderen ein. Bruce scheuchte die Band förmlich durch eine riesige Menge Material. Neben den Nummern, an denen sie während des vergangenen Jahres in Holmdel gearbeitet hatten, stellte er unablässig neue vor, an denen er scheinbar in jeder freien Minute arbeitete. Am Ende der Sessions hatten sie rund siebzig Tracks eingespielt und wussten, dass mindestens achtzig Prozent davon als Ausschuss enden oder bei anderen Musikern landen würden. Southside Johnny and the Asbury Jukes bekamen mit »Talk to Me« und »Hearts of Stone« die zwei Songs, die Van Zandt am besten gefielen. Dass Bruce jedoch sowohl das von Elvis inspirierte »Fire« 5 als auch den Rocksong »Because the Night« verwarf, brachte Van Zandt fast zur Verzweiflung. »Bruce schenkte seine besten Nummern andauernd anderen oder ließ sie in der Schublade verschwinden. So ist er halt.« Landau hatte das Kommerzielle immer mit im Blick und verstand dennoch sehr gut, welche künstlerische Absicht dahintersteckte. »Ich glaube, er fürchtete, dass ›Fire‹ der Hit des Albums werden könnte und der Song dann für [das ganze Album] richtungsweisend wäre«, erklärt er. »Er hätte ›Fire‹ nicht mit aufs Album nehmen und der Plattenfirma dann verklickern können, dass ausgerechnet der Song nicht als Single ausgekoppelt werden dürfte. Darüber hätte er keine Kontrolle mehr gehabt.« Bruce hielt es daher für vernünftiger, dem von vornherein aus dem Weg zu gehen und den Song unter Verschluss zu halten.
    Mit so viel erstklassigem Material in petto nahm der Produktionsprozess ganz neue Formen an. Statt sich wie besessen ausschließlich mit den komplexen Dynamiken einzelner Songs zu beschäftigen, arbeitete Bruce sich dieses Mal mehrere Monate lang durch Unmengen von Songs, wählte aus, sortierte, polierte und verwarf. Anschließend wiederholte er diese Prozedur, bis sich durch die verbliebenen Nummern eine komplexe Erzählhandlung herauskristallisierte. Auch wenn sich Bruce für Rock’n’Roll begeisterte, wollte er seiner Musik unbedingt auch ein gewisses intellektuelles und emotionales Gewicht verleihen. Seine Songs sollten seine Lebenswirklichkeit dokumentieren und zugleich die Möglichkeiten des amerikanischen Rock’n’Roll neu definieren.
    In vielerlei Hinsicht orientierte er sich an Elvis, der in seiner naiven Genialität schwarze Musik mit westlicher Kultur vereinte und damit in der Populärkultur einschlug wie ein Blitz. Er setzte eine Revolution in Gang und öffnete gleichzeitig einer raffgierigen Industrie Tür und Tor, die Elvis so lange ausschlachtete, bis er zu traurig und zu schwach war, um zu tanzen. Im unaufhaltsamen Abstieg des King of Rock’n’Roll schienen sich die primitivsten Triebkräfte des amerikanischen Kapitalismus selbst zu entlarven. All das konnte man dem Enthüllungsbuch Elvis: What Happened entnehmen, das Bruce (ebenso wie Van Zandt und andere Bandmitglieder) gelesen hatte. Elvis’ Erbe bedeutete für Bruce ungemein viel. Aus der Geschichte seines missglückten Besuchs in Graceland, bei dem er sich durch einen Sprung von der Mauer Zutritt zu Elvis’ Anwesen verschafft hatte, sponn er eine wunderbare, selbstironische Bühnenstory. Er war überglücklich, Tickets für Presleys geplantes Konzert im Madison Square Garden im September 77

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