Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
ergattert zu haben. Umso geschockter war er, als er am 16. August 1977 von Elvis’ Tod erfuhr. »Er war wirklich erschüttert und ungeheuer aufgewühlt«, erinnert sich Chirmside.
Zwei Tage später flogen Bruce und Van Zandt mit dem Fotografen Eric Meola nach Salt Lake City. Dort schwangen sie sich mit ihrem Gepäck in einen offenen roten Ford Galaxie 500XL und fuhren durch die flirrende Wüstenhitze. Sie nahmen die einspurigen Sandpisten rund um die Tafelberge, die zu entlegenen Farmen und den Indianerreservaten führen. Während Meola nach reizvollen Motiven des urwüchsigen Amerikas suchte, ließen Bruce und Van Zandt Elvis’ Absturz Revue passieren. Sie sprachen über seine Gefährten, die sich ihre sogenannte Freundschaft hatten gut bezahlen lassen. Am Ende hatten sie den King allein gelassen mit seinen Pillen und einem Buch über Jesus, das er nie zu Ende las.
In den ersten dreißig Stunden fuhren sie einfach drauflos. Bruce’ Neugier trieb sie über staubige Straßen und sandige Pisten. Irgendwann hielten sie neben einer Tanksäule vor einem kleinen Laden mitten im Nirgendwo. Sie kauften ein paar Flaschen Cola, und Meola fotografierte. Bruce vor dem Auto, Bruce vor der Landschaft, Bruce vor den mächtigen Cumuluswolken, die sich wie ein Band vor die Sonne legten. In den Wüstendörfern hoffte Meola etwas von der Melancholie einzufangen, die Robert Frank in Die Amerikaner verewigt hatte. Die legendäre Porträtsammlung dokumentierte das Leben der amerikanischen Unterschicht in den 50er- und 60er-Jahren in trostlosen Städten und heruntergekommenen Ghettos. Bruce war von Franks Aufnahmen auf Anhieb begeistert. Wie John Fords Früchte des Zorns spiegelte auch Die Amerikaner die Welt so wider, wie er sie vor seinem inneren Auge sah. Meola, der Bruce auf Franks Fotografien aufmerksam gemacht hatte, lehnte sich an den Stil seines Vorbilds an, indem auch er in Schwarzweiß fotografierte. Das brachte die Stofflichkeit der Wüste und die Erhabenheit der Tafelberge, die hoch über der Wüste aufragten, besonders gut zur Geltung. Eines Nachmittags rollte eine riesige Gewitterwolke über die Gipfel. Es donnerte und blitzte, und der Wind wirbelte den Staub auf, der sich mit den Wolken vereinte. »Es war wie ein biblischer Sturm, so etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen«, sagt Meola.
Sie beobachteten den Sturm und warteten, bis er abgezogen war, dann fuhren sie weiter, bis sie irgendwann nach Mitternacht in einem Geisterkaff landeten. Außer ein paar verlassenen Häusern gab es hier nur noch ein Rudel Hunde, das durch die Dunkelheit streunte und die Büsche anheulte. Die Männer entschlossen sich, einige Stunden zu schlafen. Bruce streckte sich auf den Vordersitzen aus, Van Zandt machte es sich auf der Rückbank bequem, und Meola musste mit der großen flachen Motorhaube Vorlieb nehmen. »Es war höllisch heiß, und die Hunde heulten irgendwo im Dunkeln«, erzählt der Fotograf. Im Morgengrauen wachten sie auf, wischten sich die Spinnweben aus dem Gesicht und fuhren zurück nach Salt Lake City, von wo aus sie wieder nach Hause flogen.
Meola war glücklich über seine Wüstenfotografien und einige Aufnahmen, auf denen Bruce im aufziehenden Sturm vor den Berggipfeln steht. Bruce verarbeitete den Trip musikalisch. Er verwob die raue Schönheit der Wüstenlandschaft mit dem Geist Elvis Presleys, den heulenden Hunden und dem Gewitter zu einem Zeugnis jenes Geistes, den dieses ungezähmte Land seiner Meinung nach durchdrang. »Gonna be a twister to blow everything down/That ain’t got the strength to stand its ground«, schrieb er in der letzten Strophe und beschwor einen Sturm, der genug Zerstörungskraft besaß, um einem Menschen alle zarten Träume und Spinnereien auszutreiben, die ihn zu verwundbar machen, um in den Weiten des noch unbesiedelten Landes überleben zu können. »Mister, I ain’t a boy, no, I’m a man«, erklärt er. »And I believe in the promised land.«
Nachdem die Sessions in die Record Plant Studios verlegt worden waren, zogen sich Bruce und Landau sofort in den Aufnahmeraum zurück, wo sie die Songs durchgingen, die sie noch nicht eingespielt hatten. Sie verstanden sich dabei, ohne große Worte zu machen. Bruce nahm seine Telecaster und spielte sich durch eine frühe Version von »Come On (Let’s Go Tonight)«, während Landau mit den Fingern schnippte, mit dem Kopf wippte und leise mitsummte. Als Bruce aufblickte, nickte Landau aufgeregt. »Das ist großartig. Wirklich großartig. Was hast
Weitere Kostenlose Bücher