Bruchlandung
wärst du viel schlechter gefahren. Und weil wir die Entsorgung dieses Arschlochs gleich mit übernehmen, finden wir, dass du ein echtes Schnäppchen gemacht hast.
Er wusste, dass er von diesem Mann nichts würde erwarten können. Keine Gnade und kein Mitgefühl. Dafür war zum Schluss seiner Kasseler Zeit einfach zu viel geschehen. Vor Blatters geistigem Auge lief für Sekundenbruchteile ein Film ab, in dem er im Liegestuhl an einem Strand lag, vor sich die endlose Weite des Meeres, hinter sich eine Bar, an der eine karibische Schönheit dafür sorgte, dass ihm die Drinks nicht ausgingen.
Bravo! Und ich liege hier rum und kann dabei zusehen, wie meine Uhr so langsam abläuft.
Vorsichtig bewegte er seine Fußzehen, um zu testen, ob sich überhaupt noch etwas unterhalb seiner Lendenwirbel bewegte, und dieser Test machte ihm Mut. Er hörte wieder einigermaßen, er konnte sich, wenn es auch zunächst nur die Zehen betraf, bewegen, und er hatte seine SIG Sauer P229 im Wadenholster am rechten Bein.
Wir verpacken ihn und dann transportieren wir ihn ab wie vereinbart.
Hinter oder über ihm, das konnte er nicht genau lokalisieren, wurde das leise Getrappel von schweren Schuhen auf Teppichboden hörbar, das sich schnell entfernte.
Andreas Blatter wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, und dass er auch nur eine einzige Chance hatte. Hassemer war immer einer der besten im Charter gewesen, wenn es um Körperbeherrschung, Reflexe und Selbstverteidigung gegangen war, und es war dem Rocker auf dem Boden total schleierhaft, warum er nach dem Hieb nicht durchsucht worden war.
Oder bin ich am Ende gefilzt worden, und sie haben meine SIG gefunden?
Er spürte die Gurte des Holsters, das zusammen mit verschiedenen Waffen schon seit vielen Jahren sein ständiger Begleiter war, doch er konnte nicht eruieren, ob die Waffe wirklich noch darin steckte oder nicht. Er musste es riskieren, auch unter diesen unsicheren Bedingungen eine Attacke zu reiten, und er musste diese Attacke in den nächsten Sekunden starten.
29
»Du siehst ja scheiße aus«, begrüßte Thilo Hain seinen Boss. »Bist du in der Badewanne eingeschlafen, oder was?«
»Ich hab dich auch lieb, Thilo«, erwiderte Lenz gütig und hängte seine Jacke an die Garderobe. Dann nahm er sich eine Tasse, füllte sie mit Kaffee und setzte sich vor den Schreibtisch seines Mitarbeiters.
»Vielleicht hätte ich doch bei Uwe vorbeigehen sollen, wie ich es eigentlich vorhatte«, fuhr er fort, nachdem er den ersten Schluck genommen hatte, »da wären auf jeden Fall die Begrüßung netter und der Kaffee besser gewesen.«
»Das kann sein. Aber der gute Uwe hätte dir garantiert nicht die Neuigkeiten zu berichten gehabt, die ich für dich habe.«
»Ach, sag bloß, du bist schon länger hier?«
Der Hauptkommissar schaute auf seine Armbanduhr.
»Wer auf der Welt außer dir hat um Viertel nach neun schon so eine große Fresse? Und von was für Neuigkeiten sprichst du überhaupt?«
»Ich spreche davon, dass wir gleich Besuch kriegen werden.«
»Von wem?«
»Von Rechtsanwalt und Notar Dr. Volker Brumm.«
»Mann, Thilo, lass dir doch nicht jeden Furz aus der Nase ziehen. Wer ist dieser Dr. Brumm, und was will er von uns?«
»Was er genau will, kann ich dir nicht sagen, aber ich kann dir immerhin berichten, dass es etwas mit dem leider von uns gegangenen Thomas Blatter zu tun hat, dem Rechtsanwalt, der gestern den Unfall hatte. Und, um den Herrn Advokaten zu zitieren, auch um den verrohten Bruder des unglücklichen Kollegen Blatter .«
»Aber was genau er uns mitteilen will, hat er für sich behalten?«
Hain nickte stumm.
»Vielleicht kümmerst du dich besser um den Herrn, und ich gehe derweil zu Uwe und genehmige mir einen richtigen Kaffee«, schlug der Hauptkommissar nicht wirklich ernst gemeint vor.
»Von wegen, das könnte dir so passen. Ich lege mich hier krumm, während du dir mit dem Genossen Wagner die Falten aus dem Sack haust.«
»Ich hätte voll und ganz das Recht dazu, weil ich gestern jede Menge Überstunden gemacht habe«, belehrte Lenz seinen jungen Kollegen.
»Dass ich nicht lache, die hab ich auch auf der Uhr. Und als du vermutlich schon entspannt und in irgendwelche Spielchen mit Maria verstrickt in der Badewanne lagst, war ich noch auf dem verschneiten, vereisten und insgesamt sauschlecht zu befahrenden Heimweg.«
»Das ist so nicht ganz richtig. Ich war nach deiner Abreise noch bei Heini und hab mit ihm einen Exkurs in Sprengstoffgebrauch und die
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