Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
nicht mehr bekommen, als er verdient hat, aber er will keine Lehre daraus ziehen. Das ist alles«, sagte er verächtlich.
Cadfael bewunderte die Selbstbeherrschung, mit der Joscelin sich schweigend diese Schmähungen anhörte. Voller Ehrfucht sah er Radulfus an und wartete, bis dieser ihn aufforderte zu reden. Er schien in diesen wenigen Momenten einen gesunden Respekt vor der Klugheit und der Gerechtigkeit des Abtes bekommen zu haben. Offenbar war er überzeugt, daß man kein Urteil über ihn sprechen würde, bevor man ihn nicht gehört hatte, und es war besser, sich zu beherrschen, denn seine Verteidigung würde um so glaubwürdiger sein.
»Nun, junger Herr?« sagte Radulfus. Man konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, daß er lächelte - sein Gesicht blieb ruhig und ausdruckslos; aber in seiner Stimme schwang eine Spur von Nachsicht mit.
»Ehrwürdiger Vater«, sagte Joscelin, »alle Angehörigen und Diener unserer beiden Häuser sind hierhergekommen, um einer Hochzeit beizuwohnen. Die Braut habt Ihr gesehen.« Iveta war schon längst fortgezerrt und ins Gästehaus gebracht worden.
»Sie ist achtzehn Jahre alt. Mein Herr - das heißt: mein ehemaliger Herr! - geht auf die Sechzig zu. Vor acht Jahren starben ihre Eltern, und man bestellte ihren Onkel zu ihrem Vormund. Sie ist die Erbin großer Ländereien, die seitdem von ihrem Onkel verwaltet werden.« Seine Aussage nahm eine Wendung, die niemand erwartet hatte, aber die Picards, die nur zu gut wußten, worauf er hinauswollte, kochten vor Wut und wollten ihm ins Wort fallen. Aber Radulfus runzelte die Stirn und gebot ihnen mit erhobener Hand Schweigen. Notgedrungen gehorchten sie.
»Ehrwürdiger Vater, ich bitte Euch: Helft Iveta de Massard!«
Joscelin war nicht mehr aufzuhalten. »Das Land, das ihr gehört, umfaßt vier Grafschaften und fünfzig Herrenhäuser - es ist ein fürstliches Erbe. Ihr Onkel und ihr Bräutigam haben es unter sich aufgeteilt, man hat aus dieser Heirat ein Geschäft gemacht, ohne ihr Einverständnis, gegen ihren Willen! Sie hat gar keinen Willen mehr, man hat sie gezwungen sich zu unterwerfen! Mein Vergehen ist, daß ich sie liebe, und ich hätte sie aus diesem Gefängnis befreit...«
Cadfael war nahe herangetreten, um seine letzten Worte verstehen zu können, aber für die meisten anderen waren sie gewiß in dem schrillen Protestgeschrei untergegangen, in dem Agnes Picards Stimme am lautesten klang. Sie schrie lauter als alle anderen, und Joscelin konnte sie nicht übertönen. In diesem Durcheinander erklang plötzlich Hufschlag, und Reiter, deren Zahl aller Aufmerksamkeit auf sich zog, ritten mit jener Zielstrebigkeit, die das Kennzeichen eines amtlichen Auftrages ist, auf den Hof. Niemand hörte mehr auf Joscelins Anschuldigungen oder Picards Erwiderung; aller Augen waren auf das Tor gerichtet.
Zuerst kam Huon de Domville. Die Muskeln in seinem Gesicht waren angespannt wie der Bizeps eines Ringers, und seine kleinen, schwarzen bösen Augen blitzten. Dicht hinter ihm ritt Gilbert Prestcote, den König Stephen als Sheriff von Shropshire eingesetzt hatte - ein hagerer, harter Ritter mittleren Alters, der das scharfgeschnittene Gesicht eines Falken hatte und dessen schwarzer, gegabelter Bart von Grau durchzogen war. Ihm folgten ein Sergeant und sieben oder acht Bewaffnete - ein beeindruckendes Aufgebot. Nachdem Prestcote und seine Männer das Tor durchritten hatten, hielten sie an und stiegen ab.
»Da haben wir ihn ja!« rief Domville und zeigte triumphierend auf Joscelin, der sprachlos vor Verwunderung dastand. »Da ist der Übeltäter! Ich wußte doch, daß er Unruhe stiften würde, wo er nur kann, bevor er sich aus dem Staub macht. Packt ihn, Sheriff! Packt ihn, und nehmt ihn in Haft!«
Bis dahin hatte seine ganze Aufmerksamkeit Joscelin gegolten, und so war ihm entgangen, daß der Abt selbst unter den Anwesenden war. Jetzt fiel sein Blick auf die schmucklos gekleidete, schweigende Gestalt, und er stieg vom Pferd und zog mit brüskem Respekt seinen Hut. »Mit Eurer Erlaubnis, Ehrwürdiger Vater! Wir kommen in einer Sache, die keinen Aufschub duldet, und ich bin untröstlich, daß wir wegen dieses Übeltäters den Frieden Eures Hauses stören müssen.«
»Die Störung, die er bisher hervorgerufen hat«, erwiderte Radulfs kühl, »schien mir nicht von jener Art zu sein, die das Eingreifen eines Sheriffs und seiner bewaffneten Männer erfordert. Ich habe vernommen, daß er sich einer Übertretung schuldig gemacht hat und dafür zur
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