Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Gesetzes zu spüren bekommt«, sagte Domville und sah den Sheriff mit einem gebieterischen Blick an.
»Das Urteil wird Sache des Gerichts sein«, erwiderte Prestcote kurz und wandte sich seinem Sergeant zu. »Bringt ihn in die Burg. Ich muß noch mit Sir Godfrid Picard und dem Ehrwürdigen Abt sprechen - ich werde nachkommen.«
Willig und mit hängendem Kopf ließ der Gefangene sich abführen. Zwei stämmige Bewaffnete hielten seine Arme.
Klosterbrüder, Gäste und Diener machten ihnen Platz, und beklommenes Schweigen begleitete den kleinen Zug.
Cadfael war ebenso sprachlos wie alle anderen. Es fiel ihm schwer, zu glauben, daß der nun als Verbrecher abgeführte Joscelin derselbe junge Mann war, der eben erst so streitlustig auf den Hof galoppiert war oder der sich als kühner Liebhaber ins Lager der Feinde geschlichen hatte, um mit einem Mädchen, das zu verängstigt war, sich das zu nehmen, wonach ihr Herz verlangte, eine Verzweiflungstat zu planen. Nach Cadfaels Überzeugung gab es so plötzliche Umwandlungen nicht. Einem Impuls folgend, ging er zum Tor, um die Männer des Sheriffs mit ihrem Gefangenen im Auge zu behalten. Als er sich auf den Weg machte, hörte er hinter sich Simon Aguilon fragen: »Soll ich den Grauschimmel wieder in unseren Stall bringen, Sir? Wir können ihn doch nicht hier lassen - er hat ja nichts getan.« Seinem Tonfall konnte man nicht entnehmen, ob er der Meinung war, der Besitzer dieses Pferdes habe sich etwas zuschulden kommen lassen, aber Cadfael glaubte es nicht. Gewiß war er nicht der einzige, der, was diesen Diebstahl betraf, seine Zweifel hatte.
Joscelin und seine Bewacher näherten sich dem Kopf der Brücke, als Cadfael durch das Tor trat und ihnen eilig folgte.
Auf dem Hügel jenseits des Severn glänzten die feuchten Häuserdächer und Türme von Shrewsbury, die über die lange Stadtmauer hinausragten, im fahlen Sonnenlicht, und ganz rechts sah man die hochaufragende, massive Burg, das Gefängnis, in das der junge Mann nun gebracht wurde. Seit dem Ende des Sommers hatte es heftige Regenfälle gegeben, und von den Bergen in Wales hatten sich solche Wassermassen herabgewälzt, daß die Ufer der Flußinseln überspült waren. Die Zugbrücke auf der Klosterseite, die im Fall eines Angriffs aufgezogen werden konnte, war jetzt heruntergelassen, und es herrschte ein reges Kommen und Gehen, denn die letzte Ernte war gerade eingebracht worden.
Obst und Viehfutter wurden in die Stadt gebracht, und wer Wintervorräte anlegen wollte, hatte nun Gelegenheit dazu. Drei Reiter bahnten dem Gefangenen und seinen Bewachern den Weg, drei weitere folgten ihnen, aber Joscelin und die beiden, die ihn festhielten, gingen zu Fuß - nicht gerade schnell, denn kein normaler Gefangener sehnt sich danach, in eine Zelle gesperrt zu werden, aber auch nicht langsam, denn wenn er gar zu gemächlich ging, wurde er derb von den Männern des Sheriffs angetrieben. Karren und Fußgänger machten ihnen Platz, und viele blieben stehen, um zu gaffen. Manche waren so neugierig, daß sie den Zug ein Stück begleiteten und den nachfolgenden Reitern den Weg versperrten.
Es hatte schon des öfteren Spannungen zwischen den Stadtbewohnern und dem Sheriff des Königs gegeben, und Prestcotes Sergeant hütete sich, den streitbaren Bürgern, die sich schon manches Mal zu wehren gewußt hatten, zu drohen oder die Peitsche gegen sie einzusetzen. Als der Gefangene das enge Tor im Turm der Zugbrücke durchschritten hatte und die Schaulustigen den Weg versperrten, begnügten sich die drei Reiter, die den Schluß des Zuges bildeten, daher damit, höflich zu bitten, man möge sie durchlassen. Zwischen ihnen und dem Gefangenen entstand eine größere Lücke. Cadfael, der sich an den Pferden vorbeigeschlängelt und zu den Schaulustigen in der Tordurchfahrt gesellt hatte, konnte sehen, was nun geschah.
Joscelin trottete noch immer mit gesenktem Kopf zwischen seinen Bewachern. Die Gruppe hatte jetzt die Mitte der Brücke erreicht, wo das Geländer nur hüfthoch war. Er schien zu stolpern, und die drei berittenen Bogenschützen vor ihm legten einige Meter zurück, bevor sie es merkten. Auf der linken Seite der Brücke stand ein Karren, so daß die ganze Gruppe nach rechts ausweichen mußte. Als er in der Nähe des Geländers war, spannte Joscelin plötzlich die Muskeln an, wirbelte die beiden Männer, die ihn festhielten, nach rechts, so daß sie das Gleichgewicht verloren, bevor sie noch recht wußten, was eigentlich geschehen war,
Weitere Kostenlose Bücher