Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
sein, um das Frühstück für einen anderen zu holen.
Natürlich wußte er, daß die Männer des Sheriffs das Gebiet zwischen Saint Giles und der Stadt absuchten, und am Vormittag hatte er auch von Huon de Domvilles Tod erfahren.
Die Tatsache, daß die Aussätzigen aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren, hatte noch nie verhindert, daß sich irgendwelche Neuigkeiten herumsprachen. Was immer in der Stadt oder im Kloster passierte, war kurz darauf auch im Hospiz bekannt, und darüber, wie Huon de Domville ums Leben gekommen war und daß nach seinem entflohenen Knappen gesucht wurde, war man genau informiert. Aber Bruder Mark hatte zuviel zu tun, um solchen Gerüchten große Aufmerksamkeit zu schenken. Zunächst einmal mußte er sich wie jeden Morgen um die Kranken kümmern, und erst als jeder Verband gewechselt und jede wunde Hautstelle eingesalbt war, wandten sich seine Gedanken jener Störung zu, die ihn beunruhigte. Und selbst dann gab es noch genug andere Aufgaben, die auf ihn warteten: Er mußte Buch führen über die Spenden, die das Hospiz erhielt, eine Gruppe von einigermaßen starken Männern in den Wald von Sutton schicken, um dort Feuerholz zu sammeln (ein Recht, das der verstorbene Lord Sutton dem Hospiz verliehen hatte und das von seinem Sohn verlängert worden war), er hatte das Mittagessen zuzubereiten, die Buchführung des Superiors zu überprüfen und eine Menge anderer Dinge zu erledigen. Erst am Nachmittag kam er dazu, sich den Aufgaben zu widmen, die er freiwillig übernommen hatte. So las er einem alten Mann, der zu krank war, um sein Bett verlassen zu können, aus der Heiligen Schrift vor und erteilte Bran Unterricht im Lesen und Schreiben. Das war gewöhnlich mehr Spiel als Unterricht, denn Bran war äußerst lernbegierig. Er nahm neues Wissen so natürlich und so leicht in sich auf wie Muttermilch.
Mark hatte einen kleinen Tisch gebaut, der gerade die richtige Größe für einen Achtjährigen hatte, und heute hatte er ein altes, gereinigtes Blatt Pergament vorbereitet und die abgeschnittenen Ränder auf seinen eigenen Tisch, der neben dem Brans stand, gelegt. Der Unterricht fand in einem Winkel der Eingangshalle statt, neben einem schmalen Fenster, durch das etwas Licht fiel. Manchmal beendeten sie den Unterricht mit Zeichenspielen auf dem unbenutzten Teil des Pergaments, bei denen Bran gewöhnlich gewann. Das Pergament konnte so lange wieder abgeschabt und neu benutzt werden, bis es schließlich zu dünn wurde.
Mark ging hinaus, um nach seinem Schüler zu suchen. Der Tag war klar, nur ein leichter Dunst milderte das Sonnenlicht.
Viele der Aussätzigen standen jetzt mit ihren Klappern am Rand der Landstraße, in gebührendem Abstand zu den Reisenden, und baten um milde Gaben. Lazarus aber saß mit Mantel, Kapuze und Gesichtstuch hochaufgerichtet und reglos an seinem Lieblingsplatz bei der Mauer des Friedhofs. Bran leiste ihm Gesellschaft. Der Junge lehnte sich an seinen Oberschenkel und hielt zwischen beiden Händen ein Netz aus grobem Bindfaden, dessen Enden er zwischen den Zähnen hielt. Der alte Mann griff mit beiden Händen in das Netz und nahm es ihm ab. Die beiden spielten das alte Spiel Katzenwiege, und Bran kicherte in einem fort mit zusammengebissenen Zähnen.
Es war schön anzusehen, wie gut der alte Mann und das Kind miteinander auskamen, und Bruder Mark zögerte, das Spiel zu unterbrechen. Er wollte sich schon abwenden und sie weiterspielen lassen, aber Bran hatte ihn gesehen, ließ den Bindfaden los und rief: »Ich komme schon, Bruder Mark! Wartet doch auf mich!«
Er löste seine Finger aus dem Netz, sagte seinem Freund, der den Faden wortlos zusammenrollte, kurz adieu und rannte Mark nach. Er schob seine Hand in die seines Lehrers und hüpfte neben ihm her zum Haus.
»Wir haben uns nur die Zeit vertrieben, bis Ihr mich holen kommt«, sagte der Junge.
»Willst du nicht lieber draußen bleiben und spielen, solange das Wetter so schön ist wie jetzt? Ich würde es dir natürlich erlauben. Wir können noch den ganzen Winter über an langen Abenden am Feuer sitzen und lernen.«
»Nein, ich will Euch viel lieber zeigen, wie gut ich die Buchstaben kann, die Ihr mir beigebracht habt.«
Er hatte Bruder Mark ins Haus gezogen, sich an den Tisch gesetzt und das frische Pergamentpapier vor sich stolz glattgestrichen, und noch immer nicht war Bruder Mark aufgegangen, was er gerade gesehen hatte. Erst der Anblick der kleinen Hand, die zur Feder griff, rief es ihm ins Bewußtsein. Er
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