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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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mit quälender Aufmerksamkeit an, daß dies vielgestaltige Geschöpf für seinen Erzeuger so leicht durchschaubar ist.
    »Nein«, sagte er mit milder Stimme, »er ist nicht tot. Er hat sie mir gegeben.«
    Als fürchte er, einen Vogel aufzuscheuchen, trat er vorsichtig vor und öffnete ebenso behutsam die Arme, um den Sohn an sich zu drücken. Bei der ersten Berührung schmolz die Anspannung des jungen Mannes dahin, und er erwiderte die väterliche Umarmung voll Leidenschaft.
    »Es ist wahr!« sagte Olivier erstaunt. »Natürlich ist es wahr! Er lügt nie. Und du wußtest es? Warum hast du es mir nie gesagt?«
    »Warum auf halbem Weg ins Leben eines Mannes eindringen, der sich bereits auf dem richtigen Weg zu Ruhm und Glück befindet? Der bloße Hauch eines widrigen Windes hätte dich vielleicht vom Kurs abgebracht.« Cadfael schob ihn mit beiden Händen ein Stück von sich, um ihn genauer zu betrachten, und küßte dann die eingefallene Wange, die ihm pflichtschuldig geboten wurde.
    »Alles, was du an Vater brauchtest, war in den Erzählungen deiner Mutter enthalten, und es war besser als die Wahrheit. Aber jetzt ist es heraus, und ich bin froh.
    Komm, setz dich und laß mich deine Ketten lösen.«
    Er kniete sich neben das Bett, um den zierlichsten der Schlüssel in die Fußeisen zu stecken. Erneut klirrte es scharf und schrill, als er die Fesseln öffnete und die Ketten so heftig beiseite schleuderte, daß sie an die steinerne Wand prallten. Währenddessen hingen die goldbraunen Augen mit leidenschaftlicher Konzentration an seinem Gesicht, suchten nach Hinweisen, die bestätigten, daß zwischen ihnen ein Blutsband bestand. Bald darauf begann Olivier zwar nicht diese verwirrende Entdeckung in Frage zu stellen, wohl aber ihre Umstände und die verblüffenden Möglichkeiten, die sich darin verbargen.
    »Woher wußtest du es? Was hätte ich je gesagt und getan, daß du es erfahren konntest?«
    »Du hast den Namen deiner Mutter genannt«, sagte Cadfael, »und Zeit und Ort paßten zueinander. Als du dann den Kopf gewandt hast, habe ich sie in dir erkannt.« z8o »Und nie bist du auch nur mit einem Wort darauf eingegangen! Ich habe einmal zu Hugh Beringar gesagt, du habest mich wie einen Sohn behandelt, und dabei nicht die kleinste Regung empfunden, so blind war ich. Als mir Philip mitteilte, du seiest hier, habe ich ihm geantwortet, das könne nicht sein, denn du würdest dein Kloster auf keinen Fall ohne Auftrag verlassen. Er ist gekommen, um dich zu befreien, abtrünnig, ungehorsam, und ohne den Segen seines Abtes, hat er gesagt. Wie habe ich dir gegrollt!« erzählte Olivier in Erinnerung an die Qualen, die er dabei gelitten hatte. »Ich habe gesagt, du hättest mich betrogen! Warum nur hast du um meinetwillen alles verlassen, was dir so viel bedeutet, dich aus den Reihen der Deinen ausgeschlossen und bist in Sünde gefallen, um dein Leben für meines zu bieten? War es richtig, mich mit einer solchen schrecklichen Schuld zu belasten? Mein Leben lang würde ich sie nicht abtragen können. Ich habe nichts gespürt als den Stachel meiner eigenen Schmerzen.
    Es tut mir leid, es tut mir aufrichtig leid! Jetzt weiß ich es besser.«
    »Es gibt keine Schuld«, sagte Cadfael und erhob sich von den Knien. »Zwischen uns beiden ist jede Art von Handel oder Abrechnung auf alle Zeiten ausgeschlossen.«
    »Das ist mir klar! Als ob ich das nicht wüßte! Anfangs habe ich mich so unterlegen gefühlt, daß mein Stolz darunter litt. Aber das ist vorüber.« Olivier erhob sich, streckte die langen Beine und schritt in seiner Zelle auf und ab. »Es gibt nichts, das ich nicht mit Dank von dir annähme, selbst wenn der Tag nie kommen sollte, da es mir möglich ist, etwas um deinetwillen und dir zu Ehren zu tun. Aber ich denke, daß er kommen wird, schon bald.«
    »Wer weiß?« sagte Cadfael. »Einen Wunsch hätte ich jetzt, wenn ich nur wüßte, wie er sich erfüllen ließe.«
    »Ja?« Sogleich schüttelte Olivier reumütig die eigenen Sorgen ab. »Nenn' ihn mir!« Er trat ans Bett und zog Cadfael neben sich nieder. »Berichte, was hier vorgeht.
    Du hast gesagt, daß Philip nicht tot ist. Aber er hat dir doch die Schlüssel gegeben?« Er hielt dergleichen offenbar nur auf dem Totenbett für möglich. »Wer belagert seine Burg? Feinde hat er sich genug gemacht, das weiß ich, aber da draußen muß ein ganzes Heer gegen die Mauern anrennen.«
    »Es ist das Heer der Kaiserin«, begann Cadfael betrübt.
    »Und es ist stärker als gewöhnlich,

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