Bruder Cadfaels Buße
da einige ihrer Grafen und Barone sie zurück nach Gloucester begleitet hatten.
Nachdem Philip ihm die Freiheit gegeben hat, ist Yves sogleich dorthin geritten, um die Kaiserin zu veranlassen, dich aus dem Kerker zu erretten. Gekommen ist sie, aber nicht um deinetwillen. Als sie erfuhr, daß sich Philip hier in der Burg befindet, hat sie geschworen, diese und ihn selbst in ihre Gewalt zu bringen und ihn vor den Augen seiner eigenen Leute am Tor seiner Burg aufzuhängen. Sie hat das vor zu vielen Ohren gesagt, als daß sie wortbrüchig werden könnte, selbst wenn sie es wollte. Das aber bezweifle ich. Die Kaiserin denkt nicht daran, sich zurückzuziehen, sondern ist fest entschlossen, Philip zu ergreifen, zu demütigen und hängen zu lassen. Ich aber bin ebenso entschlossen«, fügte er hinzu, »sie daran zu hindern, obwohl ich wirklich nicht weiß, wie sich das bewerkstelligen läßt.«
»Das darf sie nicht tun«, sagte Olivier entsetzt. »Es wäre nicht nur gottlos, sondern auch töricht. Das müßte ihr doch klar sein! Mit einem solchen Verhalten würde sie nur erreichen, daß jeder kampffähige Mann im Land die aus der Hand gelegten Waffen sogleich wieder aufnimmt und sich erneut ins Gefecht stürzt. Niemand, auf welcher Seite er auch steht, ist so verworfen, daß er einen Mann töten würde, den er besiegt und gefangengenommen hat. Woher weißt du, daß sie diesen Eid geleistet hat?«
»Von Yves. Er hat es mit angehört und hegt keinen Zweifel daran, daß es ihr damit ernst ist. Niemand ist ihr mehr verhaßt als Philip - wegen seines Verhaltens, das sie als Verrat ansieht.«
»Es war Verrat«, entgegnete Olivier, aber gemäßigter, als Cadfael erwartet hatte.
»Möglich. Aber er hatte Gründe für seine Handlungsweise, so schwerwiegend sie auch scheinen mag. Schon bald wird man auf beiden Seiten einige der bedeutendsten und gewiß auch der besten unserer Leute beschuldigen, aus den gleichen Gründen Verrat begangen zu haben«, gab Cadfael zu bedenken. »Es mag sein, daß sie nicht auf der anderen Seite zum Kampf antreten, aber gewiß wird man es ihnen bereits als Verrat auslegen, wenn sie ihr Schwert in der Scheide lassen und sich weigern, weiterhin zu töten. Wie auch immer man seine Missetat bezeichnen mag, sie will ihn in ihrer Gewalt haben, und sie will seinen Tod. Mein Wille aber ist es, daß sie ihn auf keinen Fall bekommt.«
Stirnrunzelnd und an den Fingerknöcheln kauend, dachte Olivier eine Weile nach. Dann sagte er: »Es wäre gut, wenn jemand diese Freveltat verhinderte, und es wäre für niemanden besser als für sie.« Er sah Cadfael tief besorgt an. »Du hast mir noch nicht alles gesagt. Es gibt noch mehr. Wie weit ist der Angriff gediehen? Sie sind doch nicht etwa durchgebrochen?« Möglicherweise hatte er einfach nur deshalb >sie< gesagt, weil ihn die Umstände daran hinderten, sich am Kampf auf der Seite zu beteiligen, die auch seine Sache vertrat. Auf jeden Fall schien ihn der Gebrauch dieses Wortes noch weiter von den Belagerern zu entfernen. Es hätte Cadfael nicht gewundert, wenn er als Gegenposition das teilnehmende >wir< von ihm gehört hätte.
»Sie haben eine Bresche in einen Turm geschlagen, sind aber noch nicht durchgebrochen - jedenfalls waren sie es nicht, als ich heruntergekommen bin«, verbesserte er sich.
»Philip hatte die Übergabe verweigert, aber er kannte ihre Absichten...«
»Woher?« wollte Olivier wissen.
»Von mir. Yves hat mir die Mitteilung unter Einsatz seines Lebens überbracht. Ich habe sie, ohne mich selbst zu gefährden, an Philip weitergegeben. Aber mir schien, daß er es bereits wußte. Er hat damals gesagt, daß er für seine Männer sorgen müsse, sofern es Gott gefiele, der Kaiserin zuvorzukommen. Das hat er nun getan. Er hat den Befehl über die Burg seinem Stellvertreter Camville übergeben und ihm erlaubt - nein, befohlen -, die bestmöglichen Bedingungen für die Besatzung auszuhandeln und die Burg zu übergeben. Das soll morgen geschehen.«
»Aber er würde doch nicht...«, begann Olivier und rief dann mit einem Mal aus: »Du hast gesagt, daß er nicht tot ist!«
»Nein, aber schwer verwundet. Es muß nicht sein, daß er seinen Wunden erliegen wird. Das ist zwar durchaus möglich, aber nicht so bald, als daß man ihn nicht vorher noch in einer Schlinge der Kaiserin aufknüpfen könnte, sobald sie die Burg betritt, ganz gleich, in welchem Zustand er sich befindet. Er hat seinem eigenen Tod in Schimpf und Schande zugestimmt, um damit die Freiheit
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