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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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verborgen gehalten wurde. Dort, wo sein Platz war, befand sich nun eine dunkle Leere, die einen Angriff auf die Gerechtigkeit darstellte.
    Er wußte nicht, wie lange er schweigend und allein dagesessen hatte, dem Schmerz der Leere hingegeben, ohne daß ihm die wenigen Menschen zu Bewußtsein gekommen wären, die zu jener Stunde die Kirche aufsuchten und wieder verließen. Im Querschiff war es dunkler geworden, so daß der Mann, der aus dem sanften Zwielicht des Kreuzgangs seinen düsteren Zufluchtsort betrat, Cadfael nicht bemerkte. Der hatte dessen Schritte nicht gehört, und fuhr daher aus seiner tiefen Versunkenheit auf, als ein Körper ihn streifte und an Arm und Knie anstieß. Eilig faßte eine Hand an seine Schulter, um beide am Fallen zu hindern. Keiner von beiden gab einen Laut von sich. Der Fremde wartete eine Weile, bis sich seine Augen an die Finsternis im Inneren der Kirche gewöhnt hatten. Dann sagte eine leise Stimme: »Ich bitte um Verzeihung, Bruder, ich habe Euch nicht gesehen.«
    »Ich wollte nicht gesehen werden«, erwiderte Cadfael.
    »Mitunter gab es Situationen, wo auch mir das recht gewesen wäre«, pflichtete ihm die Stimme ohne jede Überraschung bei.
    Die langen sehnigen Finger, die kraftvoll Cadfaels Schulter erfaßt hatten, wurden zurückgezogen. Cadfael sah eine schlanke dunkle Gestalt neben sich aufragen. Im Schatten lag ein ovales Gesicht mit hohen Wangenknochen und einer Adlernase, das mit ernsthafter und ein wenig beunruhigender Intensität kalt auf ihn herabsah.
    Glänzende Augen betrachteten ihn aufmerksam und ohne Eile, ohne Zurückhaltung und ohne Milde. Wenn sich Philip FitzRobert einem Mann gegenübersah, der weder sein Verbündeter noch sein Feind war, betrachtete er ihn mit einer Art in die Tiefe gehender neugieriger Aufmerksamkeit, der man sich nur schwer entziehen konnte.
    »Sollte es sogar innerhalb dieser Mauern Kummer und Trübsal geben, Bruder?«
    »Die gibt es überall, drinnen wie draußen«, sagte Cadfael. »Das liegt an der Beschaffenheit dieser Welt, und nur an wenigen Orten kann man sich davor verstecken.«
    »Das habe auch ich erfahren«, sagte Philip und trat einen Schritt beiseite, ohne aber fortzugehen und ohne den finster wirkenden durchdringenden Blick von Cadfael zu wenden. Auf seine eigene Weise sah er gut aus, und er war jung - zu jung, als daß er seine erstaunliche Geisteskraft hätte vollständig im Zaum halten können. Knapp dreißig, so alt wie Olivier, und wie ihn Cadfael so im Halbdunkel sah, dessen unscharfes Spiegelbild.
    »Möge Euer Kummer aus Eurer Erinnerung getilgt sein, Bruder, sobald wir Fremde diesen Ort verlassen haben, damit zumindest Ihr in Frieden leben könnt«, sagte Philip. »Wie auch die Erinnerung an uns ausgetilgt sein wird, wenn der letzte Hufschlag verhallt ist.«
    »So Gott will«, sagte Cadfael, obwohl ihm klar war, daß es sich keineswegs so verhalten würde.
    Philip wandte sich ab und trat in das Hauptschiff, in dem eine gewisse Helligkeit herrschte. Im Schein der Kerzen war er ein geschmeidiger junger Mann, der leichten Schritts um den Chor herum zum Hochaltar ging. Cadfael überlegte, warum er in jenem kurzen Augenblick des sonderbaren Zusammentreffens mit Gloucesters Sohn, der zweifellos dachte, er sei ein Angehöriger der Priorei, nicht von Angesicht zu Angesicht gefragt hatte, wer Olivier de Bretagne festhielt. War es nicht der rechte Ort und die rechte Zeit gewesen, oder fürchtete er die Antwort?
    Die Komplet, die Schlußandacht des Tages, bedeutete nicht nur die Vollendung des Zyklus' aus Stundengebeten, sondern brachte auch den Abschluß der Bemühungen eines Tages und zeigte seinen Ertrag, wie unvollkommen und bescheiden auch immer er aussehen mochte. An diesem Abend bedeutete sie lediglich ein letztes Aufflammen von stolzer Zurschaustellung, mit der die beiden Rivalen gegeneinander auftraten. Wenn sie schon auf dem Schlachtfeld nicht - noch nicht - triumphieren konnten, wollten sie einander zumindest an Glanz und Frömmigkeit übertrumpfen. Die Kirche mochte sich über ihre üppigen Almosen freuen, dem Land würde es mit Sicherheit nicht zum Vorteil gereichen.
    Offensichtlich dachte die Kaiserin auch auf diesem Gebiet nicht daran, ihrem Widersacher das Feld zu überlassen. Sie trat in gedämpftem Prunk auf und ließ sich diesmal nicht von ihrer Kammerfrau begleiten, sondern vom jüngsten und bestaussehenden ihrer Edelknaben. Die mächtigsten ihrer Barone folgten nach, so daß sich minder bedeutende Menschen in

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