Bruder Cadfaels Buße
die finstersten Winkel des Kirchenschiffs drängen mußten. Das Dunkelblau und Gold ihres Gewandes ließen es wie eine schimmernde Rüstung aus Stahl erscheinen. Vielleicht war diese Wirkung beabsichtigt, und möglicherweise hatte sie auf weibliche Begleitung verzichtet, weil diese nicht auf ein Schlachtfeld gehörte, auf dem sie aber jedem Mann ebenbürtig war und keine andere Frau ihr das Wasser reichen konnte. Maud zog es vor, nicht an Stephens fähige und heldenhafte Gemahlin zu denken, die im Südosten des Landes unangefochtenen Vorrang genoß, womit sie im Herzland und am Ursprung der Macht ihres Mannes die unumschränkte Herrin war.
Hinter ihr schritt Stephen eindrucksvoll und in sorglosem Glanz herein, das hocherhobene Haupt entblößt, jeder Zoll ein König. Mit selbstgefälligem Lächeln hielt sich Ranulf von ehester besitzergreifend an seiner Rechten, als hätte ihn eine eigens für neue und wertvolle Verbündete erlassene königliche Anordnung dazu ermächtigt. Links von Stephen folgten gesetzten Schritts William Martel, sein Haushofmeister, und sein Oberzeugmeister Robert de Vere. Treue, die sich lange bewährt hat, ist nicht auf Tuchfühlung und auf Handküsse angewiesen. Erst sehr viel später, merkte Cadfael in seiner dunklen, fernen Ecke, trat Philip FitzRobert ohne Eile von dorther in Erscheinung, wo er gewartet und gegrübelt haben mochte und nahm seinen Platz unter den Anhängern des Königs ein. Er war nicht wie andere bemüht, die Aufmerksamkeit seines Herrschers auf sich zu lenken, damit dieser seine Anwesenheit bemerkte, sondern blieb in den hinteren Reihen. Diese Zurückhaltung minderte seine Bedeutung nicht.
Cadfael hielt Ausschau nach Hugh und fand ihn unter den Vasallen des Grafen von Leicester, der sich mit einer Anzahl verläßlicher und vertrauenswürdiger junger Leute umgeben hatte. Yves aber sah er nicht. Als die Andacht begann, drängten sich bereits so viele Menschen in der Kirche, daß es Nachzüglern schwerfallen würde, ein Plätzchen im Schiff oder um den Eingang herum zu finden. Vor den Fenstern wurde es dunkel. Die Außenwelt zog sich von dem zurück, was im Inneren der Kirche geschah, und Gesichter verschwammen im Dämmerlicht. Es sah ganz so aus, als hätten die Bischöfe betrübt den Fehlschlag ihrer Bemühungen um eine Hoffnung auf Frieden hingenommen, denn in den Worten, die Roger de Clinton an seine Gemeinde richtete, lag feierlicher Abschied: »Ich beschwöre euch, verweilt noch diese letzte Nacht, bevor ihr auseinandergeht, um euch erneut dem Krieg und dem Hader zuzuwenden. Man hat euch hergerufen, damit ihr über die Krankheit des Landes nachdenkt. Auch wenn ihr zur Zeit eine Heilung nicht für möglich haltet, dürft ihr dennoch die Last von Englands Sorgen nicht von eurer Seele abschütteln. Verwendet diese Nacht darauf, weiter im Gebet und in Gedanken zu verharren, und sofern ihr anderen Sinnes werdet, wisset, daß es nicht zu spät ist, es zu sagen und das Denken anderer zu ändern. Weder euch, die ihr führt, noch uns, denen Gott das Wohlergehen der Seelen anvertraut hat, bleiben Vorwurf und Schuld erspart, wenn wir unsere Pflicht den uns anvertrauten Menschen gegenüber vernachlässigen und sie dessen berauben, worauf sie Anspruch haben. Geht jetzt und überdenkt, was ich gesagt habe.«
Der abschließende Segen klang wie eine Mahnung, und vom Gewölbe hallte das Echo der erhobenen Stimme des Bischofs wie ein fernes kleines Donnergrollen zurück, das Gottes Zorn verkündete. Dennoch würden sich König wie Kaiserin davon nicht sonderlich beeindrucken lassen.
Zwar blieben sie reglos an ihrem Fleck, bis die Geistlichen fast die Tür der Sakristei erreicht hatten, doch würden sie alle Mahnungen in den Wind schlagen, wenn sie erst einmal aus der Kirche hinaus und, von all ihren Kämpen umgeben, wieder in die Welt zurückgekehrt waren.
Einige der zu spät Gekommenen waren still beiseite getreten, um den Weg für den geordneten Zug der Mönche und den Aufbruch der weltlichen Herrscher freizumachen. Sie drängten sich durch die Südpforte in die tiefe Dämmerung des Kreuzgangs, wo bereits die Kälte der Nacht herrschte. Unter den ersten, einige Schritte weiter auf dem nördlichen Weg des Kreuzgangs, ertönte plötzlich ein Aufschrei. Er war nicht so laut, daß er bis in die Kirche gedrungen wäre, es handelte sich eher um einen Ausruf des Erstaunens. Doch die Rufe, die bald darauf folgten, waren sogar am Allerheiligsten hörbar. Es erhob sich dieselbe Stimme
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