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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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erneut und rief laut: »Hilfe! Bringt Fackeln! Hier liegt ein Mann verletzt...«
    Die Bischöfe hörten die Rufe und traten verwundert einen Schritt von der Schwelle der Sakristei zurück, wo sie erstarrt lauschten, bevor sie in aller Eile der Südpforte entgegenstürzten. Doch sie war schon verstopft. Und unter dem Druck der Nachdrängenden platzten jeweils einzelne Männer aus der Öffnung hervor wie Samenkörner aus einer überreifen Schote. Als aber Stephen hinauswollte, teilte sich die Menge in wunderbarer Weise wie das Rote Meer vor dem Zug der Kinder Israels. Diesmal hatte er der Kaiserin nicht den Vortritt gelassen, die von der schwunghaften Vorwärtsbewegung mitgerissen, nicht weit hinter ihm folgte. Gekränkt, aber schweigend trat Maud ins Freie, Stephen hingegen rief laut und gebieterisch: »He, ihr da, Lichter! Rasch! Seid ihr taub?« Und schon lief er dem nördlichen Weg des Kreuzgangs zu, von woher die Rufe ertönt waren und wo jetzt Stille herrschte.
    Die Dunkelheit des Gewölbes ließ ihn einen Moment zögern, so daß ihm jemand mit einer zuckenden Fackel folgen konnte. Doch dann ließ ein von der Abendkühle getragener Windstoß die Flamme auf die Hand des Fackelträgers herunterzucken, so daß er sie mit einem Aufschrei fallenließ und sie auf den Bodenplatten erlosch.
    Den Gedanken an Kerzen hatte Cadfael wegen des Abendwindes verworfen. Dann aber war ihm eingefallen, daß er am Eingang eine Laterne mit Hornplatten gesehen hatte, welche die Flamme schützen würden. Er nahm eine der Kerzen mit, um sie in die Laterne einzusetzen und anzuzünden. Ein Klosterbruder begleitete ihn mit einer aus ihrem Wandhalter genommenen Fackel, und ein junger Mann aus Leicesters Gefolge hatte aus dem Vorhof einen der eisernen Feuerkörbe an seiner langen Stange mitgebracht. Gemeinsam drängten sie sich durch die Menschenmenge auf den nördlichen Weg des Kreuzgangs, um festzustellen, was die Ursache der Schreie gewesen war.
    Auf den bloßen Steinplatten vor der dritten Mauernische neben dem Weg lag ein Mann auf der rechten Seite, die Knie leicht angewinkelt, die Arme reglos auf den Steinen. Das dichte braune Haar fiel ihm ins Gesicht, so daß er nicht zu erkennen war. Kostbare dunkle Kleider zeigten seinen Stand an, und von seiner linken Hüfte hing ein Schwertgehenk. Die Scheide reichte bis in die Mauernische, deren Schwelle die Füße des Mannes streiften. Yves Hugonin hatte sich über ihn gebeugt und erhob sich jetzt von den Knien. Mit entsetztem, verwirrtem Blick und bleichem Gesicht sah er die Umstehenden an. »Ich bin im Dunkeln über ihn gestolpert. Er ist verletzt...«
    Er sah auf seine Hand. Sie war mit Blut bedeckt. Der Mann zu seinen Füßen, auf den König und Kaiserin mitsamt dem halben Adel des Landes erstarrt und gebannt hinabsahen, lag regloser da, als man das von einem Lebenden annehmen würde. Dann beugte sich Stephen vor, griff den Mann an der hängenden Schulter und drehte ihn auf den Rücken. Im Licht der Fackeln zeigte sich ein Gesicht, auf dem der Ausdruck fassungsloser Verblüffung lag. Die Augäpfel starrten, und vor den Augen der Zuschauer wurde ein Blutfleck auf der Brust allmählich größer.
    Hinter Stephens Rücken ertönte ein gedämpfter Aufschrei, beherrscht zwar und kurz, aber nichtsdestoweniger durchdringend. Philip FitzRobert bahnte sich den Weg durch die zähe Masse der Menschen und kniete vor dem reglosen Mann nieder. Er beugte sich über ihn, legte ihm eine Hand auf die noch warme Stirn und Kehle, hob ein Oberlid und sah in ein Auge, das auf Licht und Dunkelheit nicht mehr reagierte. Dann schloß er beide Lider mit einer raschen, fast heftigen, Handbewegung. Über den Leichnam von Brien de Soulis hinweg schleuderte er Yves einen finsteren Blick zu.
    »Durch das Herz, und er hatte noch nicht einmal das Schwert gezogen! Jedem von uns ist bekannt, welchen Haß Ihr für ihn empfandet! Ihr seid ihm an die Kehle gefahren, kaum daß er hier war, wie ich von anderen gehört habe, die dabei waren. Danach habe ich mit eigenen Augen Euren Zorn gegen ihn mit ansehen müssen.
    Majestät, Ihr seid hier Zeuge eines Mordes! Mord, meine Herrn Bischöfe, an heiliger Stätte, während eines Gottesdienstes! Entweder ergreift Ihr diesen Mann, damit das Gesetz über ihn befindet, oder Ihr gestattet, daß ich ihn fortbringe und im Kampf Mann gegen Mann töte, denn er hat einem anderen das Leben genommen!«

5. Kapitel
    aumelnd wich Yves vor dem wirren Blick und der scharfen Stimme einen Schritt

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