Bruder Cadfaels Buße
Angelegenheiten zu ordnen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder König oder Kaiserin zuwandten. Letztere brach um die Mitte des Vormittags nach Gloucester auf. Sie war so lange geblieben, bis sie sicher sein durfte, daß ihr Rivale die Stadt verlassen hatte und sich auch nicht mehr in der Nähe aufhielt, um die Gelegenheit zu nutzen, hinter ihrem Rücken Kräfte gegen sie zusammenzuziehen.
Während sich die Gruppe sammelte, war Yves allein in die Kirche gegangen, und Cadfael, der ihm in einem gewissen Abstand gefolgt war, fand ihn vor einem der Altäre des Querschiffs kniend. Dort hielt er offenbar seine eigene Andacht, bevor er aufbrach. Der unglückliehe Ausdruck auf dem Gesicht des Jünglings veranlaßte Cadfael, den Takt hintan zu stellen und sich ihm zu nähern. Yves hörte ihn kommen; ein gequältes Lächeln trat auf seine Züge, dann stand er rasch auf. »Ich bin bereit.«
Am kleinen Finger der Linken, mit der er sich auf den Betstuhl stützte, trug er einen Ring, den Cadfael nie zuvor gesehen hatte — ein schmaler gewundener Goldreif, nichts Aufsehenerregendes. Es war die Art Gabe, die eine Dame einem Pagen als Belohnung für einen besonderen Dienst überreichen würde. Yves bemerkte, wie Cadfaels Blick auf dem Ring ruhte, und wollte ihn unwillkürlich verbergen. Dann überlegte er es sich anders und ließ die Hand liegen. Mit verschwommenen Augen und unbewegtem Gesicht sah er auf den schmalen Reif.
»Ist das ein Geschenk von ihr?« fragte Cadfael, der merkte, daß er eine Frage stellen durfte, vielleicht sogar sollte.
Halb mutlos, halb dankbar, sagte Yves einfach: »Ja.«
Dann fügte er hinzu: »Ich habe es abzulehnen versucht.«
»Gestern abend habt Ihr den Ring nicht getragen«, stellte Cadfael fest.
»Nein, aber jetzt wird sie es wohl erwarten... Ich habe nicht den Mut, ihr gegenüberzutreten und ihn zurückzuweisen«, sagte Yves kläglich. »Bis wir auf halbem Weg nach Gloucester sind, wird sie mich ohnehin vergessen haben, dann kann ich ihn an einem Schrein ablegen - oder einem Bettler am Wege schenken.«
»Warum?« fragte Cadfael, der diese offenbare Wunde mit voller Absicht sondierte. »Gewiß hat sie ihn Euch für erwiesene Dienste geschenkt?«
Yves wandte den Kopf mit dem Ausdruck scharfen Schmerzes ab und ging auf die Tür zu. Wie nebenbei sagte er, und es machte den Eindruck, als erstickte er fast an den Worten: »Ich habe ihn nicht verdient.« Dann wiederholte er, etwas freundlicher: »Ich habe ihn nicht verdient.«
Sie waren fort, die letzten der bunt herausgeputzten Höflinge und die grimmigen Krieger, König und Königsmacher, wie auch die beiden Bischöfe von außerhalb. Nigel von Ely war in sein eigenes Bistum zurückgekehrt und Heinrich von Blois mit seinem königlichen Bruder nach Oxford gereist, bevor er an seinen Sitz nach Winchester weiterzog. Nichts war bei ihrem Aufbruch geregelt, nichts gelöst, der Friede so fern wie eh und je. Außerdem lag ein Toter in einer Seitenkapelle der Prioreikirche. Dort würde er ruhen, bis man ihn einsargen und dorthin bringen konnte, wo ihn seine Angehörigen beizusetzen wünschten, sofern er welche besaß. Im großen Hof war es stiller als gewöhnlich, da nach dem Aufbruch der doppelten Hofhaltung eines nach wie vor geteilten Landes der übliche Verkehr zwischen Stadt und Priorei noch nicht wieder eingesetzt hatte.
»Bleib doch noch einen Tag oder zwei«, bat Cadfael Hugh. »Tu mir die Liebe, denn wenn ich dann mit dir zurückkehre, halte ich meine Zusage ein. Gott weiß, daß ich mich gern an das mir Auferlegte halten möchte, sofern ich dazu imstande bin. Sogar ein einziger Tag sagt mir unter Umständen schon, was ich wissen möchte.«
»Nachdem König und Kaiserin mitsamt ihrem ganzen Gefolge bestritten haben, etwas über Oliviers Aufenthalt zu wissen?« gab Hugh freundlich zu bedenken.
»Ja, trotz allem. Es waren Männer hier, die etwas wissen«, erklärte Cadfael fest. »Da ist aber auch noch die Sache mit Yves. Die Kaiserin läßt ihm zwar ihren Schutz angedeihen und hat ihn mit sich genommen, damit er in Sicherheit ist, doch genügt das? Frieden wird er erst finden, wenn man weiß, wer die Tat vollbracht hat, die man ihm gewiß nicht vorwerfen kann. Gib mir noch einige Tage und laß mich wenigstens ein wenig über diesen Tod nachdenken. Ich habe die Brüder hier außerdem gebeten, mir alles zu sagen, was sie im Zusammenhang mit der Übergabe Faringdons gehört haben. Laß mir soviel Zeit, bis alle darüber geredet haben und ich
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