Bruderdienst: Roman (German Edition)
lebendes Wesen?«, fragte Müller.
»Er ist ein klasse Fliegenfischer«, gab Erwin Auskunft.
Der Zollhafen wirkte so verrammelt wie der Sicherheitsbereich in Fort Knox. Es nieselte noch immer, und die Bogenlampen warfen ein seichtes, gelbes Licht auf einen fast drei Meter hohen Gitterzaun. Die Leute in der gläsernen Kontrollkanzel waren kaum zu erkennen, und Erwin Glaubrecht fluchte: »Du glaubst es nicht. Die hocken hier auf ihren Ärschen, und gleich verlangen sie noch Eintritt.«
Plötzlich tauchte ein Mann in einem leuchtend gelben Friesennerz vor ihnen auf und brüllte: »Wenn da nix ist, Glaubrecht, polier ich dir die Fresse.«
»Die sind wohl alle etwas rustikal hier«, kicherte Svenja.
Der Friesennerz stieg ein, sah sie der Reihe nach an und befand: »Ich frage erst mal gar nicht, ich will lieber erst mal sehen, was an der Geschichte dran ist.«
»Feld siebzehn bitte«, sagte Krause. Er klang beinahe ein wenig schüchtern.
Sie fuhren an Türmen von Containern vorbei, die kein Ende nehmen wollten. Müller rutschte schon eine ganze Weile unruhig auf seinem Sitz herum, als Bernie plötzlich mit scharfer Stimme kommandierte: »Und jetzt links.«
Erwin bog ab und brachte den Wagen zum Stehen. Auf dem Asphalt vor ihnen befanden sich Container in allen Farben, die meisten von ihnen standen einzeln.
»Aussteigen!«, sagte Bernie im Befehlston.
»Ich habe hinten noch Ölzeug«, sagte Erwin.
Sie standen im Nieselregen und zogen dunkelgraue Plastikmäntel an, die sehr schwer waren.
»Er ist dunkelrot und er hat Beulen«, sagte Krause.
»Und wo kam er her?«
»Boston«, antwortete Erwin. »Das war die letzte Station.«
»Was ist die Ladung?« Bernie bellte jetzt beinahe.
»Wissen wir nicht«, sagte Krause ruhig. Er sah in dem Ölzeug wie ein Zwerg aus. »Was sind denn das hier überhaupt für Container?«
»Zwischenlager«, sagte Bernie. »Ein Teil der Fracht bleibt hier, der Rest geht weiter. Erwin, hast du eine Kennung?«
»Ja, habe ich. Moment mal.« Er fummelte einen Zettel heraus. »KJCUD. Dann: 5639800.«
»Der da hinten«, sagte Bernie.
Als sie vor dem Container standen, fanden sie ihn schäbig und irgendwie unangemessen.
»Und jetzt?«, fragte Erwin.
»Zollsiegel runter. Aufmachen«, sagte Bernie. Dann äußerte er misstrauisch: »Ich hoffe für euch, ihr habt eine gute Ausrede, wenn wir nichts finden.«
»So viel kann ich jetzt schon sagen«, erklärte Krause. »Wir haben keine.«
»Moment mal, ich hole den Werkzeugkasten«, sagte Erwin.
»Mir läuft schon das Wasser am Rücken runter«, sagte Svenja tonlos.
»Dann brauchst du nicht mehr zu duschen«, entgegnete Müller trocken.
»Diese verdammten Verschlussstangen«, fluchte Bernie. »Gib mir mal ein Brecheisen.«
Erwin reichte es ihm. Sie fummelten gemeinsam an dem Verschluss herum, stöhnten dabei ab und an. Dann drehte sich eine Stange, es quietschte grell und laut, sie zogen die Türen auf und starrten auf eine helle Wand aus Pappe.
»Das sind große Pappkartons«, sagte Erwin. »Jede Menge Pappkartons.«
»Raus damit«, entschied Bernie. »Wenn schon, dann richtig. Ich will jetzt auch wissen, was drin ist.«
Nach zehn Minuten hatten sie einen großen Karton herausgezogen, und Erwin schnitt mit einem Teppichmesser den Deckel auf. Krause stand ganz ruhig daneben und schaute zu. Müller hatte offenbar kein Interesse, er starrte auf irgendeinen Punkt in der Ferne und rieb sich dabei das Regenwasser aus dem Gesicht. Svenja dagegen war hellwach, ihre ganze Gestalt wirkte gespannt wie ein Bogen.
»Da sind Filzpantoffeln drin!«, verkündete Erwin verblüfft. »Diese uralten karierten Dinger, wie sie schon mein Großvater getragen hat.«
»Raus mit dem ganzen Scheiß!«, sagte Bernie verbissen.
Sie räumten den Container fast eine Stunde lang leer, die Pappkartons standen im Regen und quollen auf.
»Auf den Kartons ist nicht einmal der Produzent genannt, es gibt kein Herkunftsland und keinen Bestimmungsort, und ich wette, die zwei Tafeln mit den Codes geben auch keine Auskunft. Wieso ist das Ding hier gelandet?« Bernie klang hoffnungslos.
»Ich denke, das war beabsichtigt«, sagte Krause leise. »Irgendwo ist jede Reise zu Ende. Und es war keine schlechte Idee, sich ausgerechnet Alaska auszusuchen.«
Sie wühlten weiter und stießen schließlich auf eine Kiste, und Krause dachte an Esser, der erklärt hatte: Sie werden das Ding in einer Kiste haben, zwei mal zwei mal zwei Meter ungefähr …
»Es könnte da drin sein«,
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