Bruderdienst: Roman (German Edition)
Aber er war für den Einsatz damals nicht zuständig, und er hat wohl geahnt, dass der Bericht, na ja … also sagen wir mal, ein bisschen geschönt war. Aber jetzt haben wir geredet, und es ist alles geklärt.«
Du schwindelst ein wenig, dachte er, hob sein Bierglas und nahm einen großen Schluck. Sie befanden sich auf unsicherem Terrain, sie konnten ausrutschen, und es würde ein schlechtes Gefühl bleiben.
Dann lachte sie plötzlich auf. »Scheiß drauf, ich sage dir, wie es wirklich war. Schließlich ist es vorbei, schon so lange her.« Und sie erzählte Müller ihre Geschichte. »Das Schlimmste war dieser General. Er hat uns tatsächlich in dem Bergwerk aufgespürt. Er bedrohte mich mit einer Sig Sauer. Ich schickte Cheng weg und zog mich aus, und der General zog sich auch aus. Er war vielleicht fünfzig oder so. Und er war ein schmächtiges Handtuch, er wirkte ohne Uniform fast lächerlich. Aber er war völlig besessen. Jedenfalls habe ich mich auf die Decken gelegt, und es war richtig saukalt.« Sie sprach immer leiser und immer schneller. Aber sie war nicht aufzuhalten. »Er hat sich auf mich gelegt, und ich habe ihm die Halswirbel gebrochen. Er war sofort tot. Du weißt schon, diese sehr scharfe Drehbewegung des Kopfes mit einem Drall nach links. Ich habe ihn gehasst. Und es hat mich monatelang verfolgt.
Erst als ich Krause wiedersah, sein Lächeln, und euch Kollegen in der Kantine, da habe ich mich wieder in Sicherheit gefühlt. Komisch, nicht wahr? Und jetzt hat seine Frau Krebs, und ich kenne sie gar nicht, ich weiß nicht mal, wie sie heißt, und ich kann keine Blumen schicken.« Sie schluchzte zweimal und führte ihre rechte Hand zum Gesicht. »Ich glaube, ich möchte das Bier nicht mehr austrinken und lieber heimgehen.«
»Aber ja«, sagte er schnell. Sie standen auf und verließen den Biergarten.
Hand in Hand schlenderten sie zu ihrer Wohnung. Sie sprachen nicht mehr miteinander, ließen sich Zeit.
»Du kannst gern mit nach oben kommen, aber ich glaube, ich …«
»Ist schon klar«, sagte er. »Schließlich müssen wir noch packen.«
Als er zurück in seine Wohnung kam, war es schon fast Mitternacht.
Sowinski saß todmüde an seinem Schreibtisch und fühlte sich unbehaglich.
Sie hatten Svenja an die amerikanischen Brüder ausgeliehen, nach dem Motto: Wir teilen das Ergebnis mit euch. Das war Alltag, ganz normal. Das passierte jeden Tag auf jedem Kontinent. Dass die Agentin dabei nur knapp dem Tod entronnen war, war eindeutig schlechtes Programm, konnte aber durchaus als unvorhergesehene Panne durchgehen. Trotzdem war die mangelnde Professionalität des Einsatzes augenfällig, und das Ergebnis mehr als unbefriedigend. Irgendetwas stimmte nicht. Svenja ging sogar so weit zu vermuten, dass Cheng getötet worden sein könnte, nachdem er preisgegeben hatte, was er wusste. Das war ein glatter Mordverdacht.
Warum hatten sie Svenja überhaupt angefordert? Und warum sollte jetzt Karl Müller einen Mann aus dem Chinesischen Meer holen? Warum machte das nicht irgendein Mann von der CIA?
Der Zweifel war gesät. »Das kann man so nicht stehen lassen!«, entschied Sowinski in die Stille seines Zimmers. Wenn der Stress zunahm, sprach er zuweilen in kurzen Sätzen mit sich selbst.
Er wählte Krauses Nummer und sagte: »Wir können Svenjas Geschichte so nicht stehen lassen. Ich bitte um operative Zustimmung.«
»Was hast du vor?«
»Eine Reise nach San Francisco, wo dieser Cheng starb.«
»Das leuchtet ein. Wer soll hin?«
»Ich habe da einen Aspiranten, kam vom diplomatischen Dienst, weil er sich langweilte. Noch ohne Einsatz, ist aber ein cleveres Kerlchen.«
»Hol dir noch Esser dazu. Das ist genehmigt. Und mach schnell.«
»Danke«, sagte Sowinski.
Er rief seine Sekretärin zu sich und erklärte: »In einer Schulung vor sechs Wochen habe ich einen Mann vor mir gehabt, der Thomas hieß. Er saß in der ersten Reihe rechts außen, ungefähr Ende zwanzig, kam vom Diplomatischen Dienst. Stellen Sie fest, ob er Zeit hat, kurz in die Staaten zu fliegen. Wenn ja, lassen Sie ihn antanzen. Sofort.«
Dann rief er Esser an. »Du musst mir helfen, einen jungen Mann auf seine Premiere vorzubereiten.«
»Alles für das Vaterland«, versprach Esser gelassen.
Wenig später saßen Sowinski und Esser sich gegenüber.
»Wir schicken einen Mann nach San Fransisco. Er soll sich um einen merkwürdigen Todesfall kümmern, auf den wir durch Svenja gestoßen sind.« Er berichtete kurz und präzise und
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