Bruderdienst: Roman (German Edition)
passiert?«
»Es geht ihr wohl schlecht. Sie hat erfahren, dass ihre Brust amputiert wird.«
»Lass dir Zeit. Nimm nur das rote Handy mit, dann kann ich dich notfalls erreichen.«
»Gibt es irgendetwas Neues?«
»Wir haben eine erste Spur. Hast du Japan im Kopf?«
»Ich versuche es. Ja, okay, los.«
»Ungefähr dreihundert Kilometer westlich von Tokio, die Stadt heißt Kanazawa, liegt am Japanischen Meer, gegenüber von Korea. Dort gehen in der Regel viele Container an Land, die direkt aus Nordkorea kommen. Meistens haben sie billige Kleidung geladen, aber auch einfache Plastikteile, zum Beispiel für die Automobilproduktion. In diesem Hafen jedenfalls ist vor rund drei Wochen ein Container durchgegangen, der eine leicht erhöhte Strahlung aufwies, also eine harte Gammastrahlung, etwas höher als die natürliche.«
»Woher weiß man das?«, fragte Krause irritiert.
»Die haben eine digitale Aufzeichnung in den Ladekränen. Diese Geräte sind so angelegt, dass die erhöhte Strahlung erst nach Durchlaufen des Containers ersichtlich wird. Das heißt, die Kontrolleure können noch lange nach dem Durchlauf feststellen, dass da etwas war. Es lebe die moderne Technik.« Sowinskis Sarkasmus klang beißend. »Das Problem daran ist, dass so eine leicht erhöhte Strahlung immer wieder einmal vorkommt, sie kann ganz natürlich sein. Deshalb wird in der Regel nicht gleich Alarm geschlagen.«
»Und weiß man, wohin dieser spezielle Container gehen sollte?«, fragte Krause.
»Nein, weiß man noch nicht. Aber wir bleiben an der Spur dran.«
»Ich nehme einmal an, dass die Nordkoreaner über diese Strahlenmessgeräte überhaupt nicht verfügen?«
»Das ist richtig. Aber sie wissen selbstverständlich davon. Und deshalb glaube ich im Grunde genommen gar nicht daran, dass die Bombe per Container transportiert wurde, zumindest nicht über die hochtechnisierten Häfen Japans. Die Nordkoreaner sind nicht dumm.«
»Dann müssen wir herausfinden, wie sie es gemacht haben. Was ist mit der Grenze nach China?«
»Ja, das wäre noch einen Versuch wert«, bestätigte Sowinski.
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von unseren Freunden?«
»Sie wissen nichts. Auch der Mossad weiß nichts. Ich habe mit Moshe gesprochen. Er hat die Nachricht rausgegeben, weil im Moment niemand so gut helfen kann wie die Medien.
Richtig beurteilt, wie ich sagen möchte. Moshe will sich noch einmal melden. Er hat sechs Leute rings um Nordkorea postiert, sagt aber selbst, dass die eigentlich nichts ausrichten können. Lass dir also wirklich Zeit. Und beste Grüße bitte an deine Frau.«
»Ja, danke.« Krause dachte: Er kennt Wally gar nicht, er hat sie noch nie gesehen.
Krause hatte sich auf den roten kleinen Samtsessel gesetzt, den Wally so gern mochte. Jetzt hatten sich dort seine klatschnassen Arschbacken abgezeichnet, und er musste grinsen. »So müssten mich meine Leute im Dienst mal sehen. Die würden vom Glauben abfallen.«
Er überlegte, dass ihm ein Kaffee jetzt guttäte, fand aber die Maschine, die Wally angeschafft hatte, viel zu kompliziert. Er seufzte: »Ich und die Technik. Vielleicht brüht mir die nervöse Krankenschwester einen.«
Er zog sich hastig an, rief ein Taxi und stellte sich vor das Haus. Es regnete wieder, ein warmer Sommerregen. Er überlegte kurz, ob er einen Schirm von drinnen holen sollte, entschied sich aber dagegen und fühlte schon nach kurzer Zeit, wie ihm das Wasser am Hinterkopf herunter in den Kragen lief. Das tat gut, er empfand es fast mit Dankbarkeit und dachte: Man müsste sich öfter in den Regen stellen! Als das Taxi heranrollte, spürte er, wie sein Anzug an den Schultern bereits feucht wurde. Und er registrierte, dass er die Krawatte vergessen hatte. Das würde im Dienst eine Sensation sein: Krause ohne Krawatte, zu besichtigen im dritten Stock.
Die nervöse Krankenschwester stellte sich als eine dralle, kleine Person heraus, die mitten im Gang stand und ohne jede Begrüßung sofort wild gestikulierend auf ihn einredete: »Herr Doktor Krause, es tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe.«
»Das ist schon in Ordnung«, beruhigte Krause sie.
»Also, wissen Sie, wenn diese Entscheidungen den Patientinnen mitgeteilt werden, dann ist es natürlich immer ein Schock, wenn Sie verstehen, was ich meine. Also, eine Brust zu verlieren, ist wirklich ganz schlimm. Man … es ist so, dass Frauen das besonders schrecklich finden. Und es ist ja auch schrecklich. Und wenn wir es ihnen sagen, dann kommt erst mal so
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