Bruderdienst: Roman (German Edition)
Kriegszustand mit den USA. Jetzt haben sie den Beweis.«
»Oder so!«, stimmte ihm Sowinski mit einem Kopfnicken zu. Dann stand er auf, ging um den Schreibtisch herum zu den Fenstern und starrte auf den Hof hinunter. »Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Sie und Svenja morgen verreisen. Richten Sie sich auf ein paar Tage ein in warmem Klima. Svenja ist bereits informiert.«
»Gut«, sagte Müller tonlos.
»Dann noch etwas«, sagte Sowinski gegen das Fenster. »Unser Chef hat ein Problem, ein sehr privates Problem. Seine Frau hat Krebs. Ich möchte ganz einfach, dass Sie darüber Bescheid wissen.«
»Wird sie sterben?«
»Ich hoffe nicht«, antwortete Sowinski.
Müller war irritiert, dass er gerade jetzt an seine Mutter denken musste. »Ich werde es auch Svenja sagen.« Er war Krauses Frau noch nie begegnet, er kannte nicht einmal ihren Vornamen.
Als Müller seine Wohnung betrat, war es neun Uhr abends, draußen fiel ein milder Sommerregen. Er duschte, zog sich um und rief Svenja an.
»Sehen wir uns?«
»Aber ja«, sagte sie. »Es hat aufgehört zu regnen. Deshalb ist meine Bedingung ein Biergarten.«
»Dann bis gleich.«
Als er auf dem Weg zu Svenjas Wohnung war, rief seine Mutter an. Er bog bei der ersten Möglichkeit rechts in eine Einfahrt und brachte den Wagen dort zum Stehen, um in Ruhe mit ihr sprechen zu können.
»Also, Junge, ich glaube, ich komme doch erst mal nach Hause.«
»Du willst dich also selbst um das Haus kümmern«, sagte er. »Das ist gut. Wie geht es dir?«
»Nicht so gut, Junge«, antwortete sie. Dann atmete sie hörbar durch. »Und Harry ist weg.«
Er überlegte einen Moment und fragte dann: »Wie viel Geld hast du ihm gegeben?«
»Einen Scheck. Über zehntausend. Er hat gesagt, dass er gerade auf eine größere Überweisung wartet und mir alles zurückzahlt, sobald er das Geld hat. Aber jetzt ist er auf einmal verschwunden.«
Er hörte ihr verzweifeltes Weinen. Dann suchte sie offensichtlich nach einem Taschentuch und schnäuzte sich anschließend geräuschvoll. Es klang wie eine Explosion in seinem Ohr.
»Er war doch erst so nett, ich meine, er hat sich richtig gekümmert. Er war immer da, Tag und Nacht. Und er war ja ein gepflegter Mann, kein Herumtreiber, meine ich. Er kann doch nicht nur gelogen haben, oder?«
»Komm heim, Mama«, sagte Müller. »Nimm morgen den ersten Zug. Hier bist du schließlich zu Hause.«
»Ja, das werde ich wohl tun, Junge«, schniefte sie.
Müller lachte den ganzen Weg über bis zu Svenjas Wohnung leise vor sich hin. Es war unbeschreiblich, wie sie sich ihr ganzes Leben lang immer eine Parallelwelt zum wirklichen Leben gesucht und diese Welt zäh verteidigt hatte. Vielleicht wird sie ja irgendwann doch noch ihren Prinzen finden, dachte er. Er wartete vor dem Haus, bis Svenja herauskam, dann gingen sie zusammen in den Biergarten und ergatterten einen schönen Platz unter einer großen Kastanie.
»Morgen fahren wir also zusammen los. Das hat es doch noch nie gegeben, was ist da im Busch?«, sagte sie.
»Keine Ahnung«, murmelte er.
»Weißt du schon, wohin es geht?«
»Nein. Und da ist noch etwas. Krauses Frau hat Krebs. Sowinski hat mir das gesagt, er wollte, dass wir Bescheid wissen.«
Sie schwieg einen Moment betroffen. Während sie an der Kette aus bunten Steinen um ihren Hals nestelte, fragte sie: »Kann man das operieren?«
»Sowinski weiß auch nichts Genaues.«
»Jetzt kann ich mir denken, warum Krause so weich und fürsorglich war. Gestern, als wir bis in den Abend hinein miteinander geredet haben. Manchmal waren seine Augen vollkommen leer, als sei er ganz woanders, völlig abwesend. Obwohl er sich eigentlich immer ein bisschen so benimmt, als sei ich seine Tochter.«
»Hattet ihr was Ernstes zu besprechen?«, fragte er.
Sie lächelte flüchtig. »Wir reden nicht darüber«, erinnerte sie ihn. Und dann, als habe sie die eiserne Regel für Sekunden außer Kraft gesetzt: »Es ging um die Sache in Nordkorea. Vor mehr als einem Jahr. Als alle glaubten, es hätte mich erwischt, du weißt schon.«
»Ich war sehr … traurig damals«, sagte Müller. Dann grinste er. »Darüber darf ich wohl reden.«
»Es war wunderbar, nach der langen Zeit wieder hier zu sein. Ich weiß noch, wie ich in der Kantine saß und all die Leute vorbeikamen, die ich nur vom Sehen kenne, und sie nickten mir sehr freundlich zu. Es war ein schönes Gefühl, fast ein bisschen so wie Familie.«
»Hatte Krause keinen Einsatzbericht von dir?«
»Doch, doch.
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