Bruderdienst: Roman (German Edition)
Leuten?«
»Weil meine Leute in Seoul massive Schwierigkeiten haben, weil es da eine Riege gibt, die die Schnauze voll hat von den US-Amerikanern, weil da hinter jedem dicken Baum ein Agent steht. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob wir da noch einen Mann haben, der nicht identifiziert wurde. Sieh es als Bruderdienst, mein Freund. Und sag deiner Kleinen da, es täte mir leid. Und wie geht es deiner Squaw? Elli sagt immer, wir sollten uns unbedingt mal treffen.« Er redete dauernd von Elli, aber kein Mensch hatte sie je zu Gesicht bekommen.
»Ein sehr schöner Vorschlag«, bemerkte Krause sarkastisch. Er überlegte eine Weile. »Also gut. Ich denke, wir werden dir Charlie ausleihen. Und du schickst mir die Handakte von Wu.«
»Dann noch etwas. Ihr habt doch jetzt in Berlin dieses Zentrum für Terrorismusbekämpfung. Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und so. Die Jungs sollen gut sein. Haben die denn brauchbare Spuren?«
»Bisher nicht«, sagte Krause.
»Schade.«
Krause legte den Hörer auf und starrte zum Fenster hinaus. Archie Goodwin bescherte ihm umfassendes Unbehagen, und er brauchte ein paar Sekunden, ehe er bewusst die Blätter an den Bäumen wahrnehmen konnte.
Als Sowinski hereinkam, bewegte Krause seinen Kopf nicht um einen Millimeter. Er sagte tonlos und scheinbar ohne jeden Zusammenhang: »Möglicherweise müssen wir eine lange Rückpeilung machen.«
Dann drehte er sich zu seinem Chef der Operation um und setzte energisch hinzu: »Aber jetzt schicken wir wohl erst mal Müller nach Seoul. Archie Goodwin bittet um Hilfe. Und Svenja geht auch. Sie soll sich um das Dossier über die nordkoreanischen Raketen kümmern, das uns heute Vormittag angeboten wurde. Wir kaufen es für zwanzigtausend Dollar.«
»Und wie wird es bezahlt?«
»Bar natürlich.«
»Warum Müller?« Sowinski arbeitete die Fragen ab.
»Weil Goodwin unseren Charlie will. Und weil ich der Meinung bin, das könnte interessant werden.«
»Müller und Svenja zusammen?«
»Warum nicht? Sie haben was miteinander, das ist klar. Aber wenn wir sie gewaltsam trennen, kann das auch mit einem Scherbenhaufen enden. Svenja wird auf ihn achten, sie wird verhindern, dass er abhebt.«
»Dein Wort in Gottes Ohr. Warum braucht Archie Charlie denn?«
»Er sagt, seine eigenen Leute dort sind schon alle identifiziert, und ich glaube ihm ausnahmsweise mal. Sie sind mittlerweile richtige Stümper, wenn es um menschliche Quellen geht. Gibt es irgendetwas Neues?«
»Nicht die Spur«, antwortete Sowinski. »Aber Müller und Svenja am selben Einsatzort gefällt mir trotzdem nicht.«
»Sie werden aufeinander aufpassen. Und der Einsatz wird ein XXL.«
»Du lieber Himmel!«, seufzte Sowinski, verzichtete aber auf weitere Einwände. Er wusste, dass etwa einmal im Jahr bei Krause ein Punkt berührt wurde, an dem er gegen alle Logik vorging, aber meistens recht behielt. Und Sowinski war Pragmatiker.
Gegen sechzehn Uhr rief Krause Sowinski und Svenja zu sich. Der Gedanke an Svenjas Einsatz in Nordkorea vor über einem Jahr bereitete ihm Kopfzerbrechen. Da gab es noch zu viele offene Fragen.
Krause wandte sich Svenja zu, die ihm gegenüber Platz genommen hatte. »Ich muss noch einmal auf Ihre Zeit in Nordkorea zurückkommen. Sie haben so viele Tage mit Cheng verbracht, haben Sie eigentlich mit ihm auch über seine Arbeit gesprochen?«
»Nein, das habe ich immer vermieden. Ich wollte nicht, dass er in mir nur eine Agentin sieht, die ihn aushorchen will. Ich wollte eine persönliche Beziehung zu ihm aufbauen.«
»Weshalb war er eigentlich so wichtig für die Amerikaner?«, fragte Sowinski.
»Er hat den Nordkoreanern beim Bau der Uranaufbereitungsanlage geholfen«, gab Krause Auskunft. »Mit seinem Wissen konnten die Amis feststellen, über wie viele Atombomben die Nordkoreaner verfügen. Er hat die Anlage gebaut, er kannte ihre Laufzeiten, wusste, was sie leisten kann. Und natürlich kannte er ihren Standort. Er war verdammt wichtig. Als Augenzeuge war Cheng der erste Mensch, der uns in der Atomangelegenheit echte Gewissheit verschaffen konnte.«
»Sollten wir nicht von den Gesprächen mit ihm Aufzeichnungen bekommen? Im Gegenzug für die Leiharbeit von Svenja, meine ich.« Sowinski fragte in neutralem Ton, obwohl er Svenja eindeutig ängstlich betrachtete, als befürchte er, sie könne unliebsame Schlussfolgerungen ziehen.
»Wir sollten Kopien kriegen«, nickte Krause, »die wir natürlich nie erhalten haben. Das hing damit zusammen, dass dieser
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