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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Cheng sich von einem Hoteldach in San Francisco in den Tod stürzte. Ich erinnere mich noch, wie Archie Goodwin anrief und sagte: Finito, der Schweinehund hat den Abgang gemacht. Das ist mir so gut im Gedächtnis geblieben, weil ich einen Informanten niemals einen Schweinehund nennen würde. Vor allem nicht, wenn er sich gerade umgebracht hat.«
    »Also keine Ergebnisse, weil der Mann sich selbst tötete?«, fragte Sowinski, nicht bereit, die Sachebene zu verlassen, und ebenso wenig bereit, auf die Klärung auch noch so kleiner Details zu verzichten.
    »Ganz richtig«, bestätigte Krause.
    »In meinen Augen passt das hinten und vorn nicht zusammen«, warf Svenja ein. »Ich habe den Mann auf der Flugstrecke von Peking nach Los Angeles begleitet. Ach, mein armer melancholischer Cheng! Er hatte natürlich Angst vor seinem neuen Leben, aber zwischendrin war er auch wieder neugierig. Ich habe ihn dort an die Kollegen von der CIA übergeben. Sie sagten, sie hätten ein ganzes Team von Spezialisten für ihn einberufen. Und dann heißt es nach ein paar Tagen, der Mann habe sich in San Francisco das Leben genommen. Was ist in den Tagen zwischen meiner Ankunft in Los Angeles und seinem Tod denn passiert? Es handelt sich um eine knappe Woche. Nach meiner Rechnung hatte die CIA mindestens sechs Tage Zeit, mit ihm zu reden. Und das haben sie auch getan. Das Bild ist doch völlig klar, verdammt noch mal!« Sie begann unvermittelt zu schluchzen, das Gesicht gerötet vor Wut.
    »Verdammt noch mal!«, sagte Sowinski heftig. »Sie haben ihn abgeschöpft, und wahrscheinlich haben sie ihm Ersatzpapiere auf irgendeinen Namen ausgehändigt. Und er hatte nicht einmal Zeit, seinen neuen Namen auswendig zu lernen. Er war einfach am Ende.«
    »Rückpeilung, nichts als Rückpeilung«, murmelte Krause, erklärte aber nicht, was genau er damit meinte.
    Nach einem langen Moment des Schweigens sagte Svenja mit belegter Stimme: »Nach allem, was ich bisher mit den Amerikanern erlebt habe, denke ich, sie wollten ihn nur aussaugen, wollten sich sein Wissen aneignen, danach war er ihnen scheißegal. Und ich kann mir gut vorstellen, dass er keineswegs aus eigenem Antrieb vom Dach gesprungen ist. Für die Amerikaner wäre es doch die einfachste Lösung gewesen.«
    Krause empfand ein geradezu körperliches Unbehagen. Er hatte einen trockenen Mund, seine Gedärme krampften sich schmerzhaft zusammen, und er war maßlos wütend über sein eigenes Versagen. Und weil er dringend Luft brauchte und wieder richtig durchatmen wollte, griff er zurück auf seine bewährte Methode: Er wurde sachlich.
    »Gab es diesen Selbstmord betreffend eine Meldung in einer Tageszeitung in San Francisco?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Svenja bestimmt. »Ich habe das ganze Internet abgegrast.«
    »Wie haben Sie dann davon erfahren?«
    »Es gab einen jungen Kollegen bei den Amerikanern. Der sollte sich bis zu meinem Abflug um mich kümmern. Irgendwann rief er mich an, das war ziemlich genau eine Woche, nachdem ich Cheng abgeliefert hatte. Er sagte: Stell dir vor, der arme Kerl ist tot!«
    »Aber Sie haben keine Einzelheiten bekommen, oder?«, fragte Sowinski scharf.
    »Was brauchte ich da noch für Einzelheiten? Sitzen wir etwa hier, um uns die Geschichte schönzureden?«
     
     
     
    Müllers Maschine aus Zürich landete gegen siebzehn Uhr. Für den Treffbericht mit Ben Wadi brauchte er gute zwei Stunden. Er schrieb sehr ausführlich und ließ keinen Gedankengang aus. Irgendwie hatte er das Gefühl, noch genauer und unmissverständlicher als sonst sein zu müssen.
    Als er den Bericht zu Sowinski brachte, hielt der ihm wortlos eine Blitzmeldung von dpa hin, die mit den Worten überschrieben war: Bomber und Jets der USA rasen in dreihundert Metern Flughöhe über Pjöngjang . Die Unterzeile lautete: Der Präsident: ›Die Nordkoreaner sollen wissen, dass wir sie innerhalb von Minuten vernichten können.‹
    »Ich hoffe, es bleibt bei diesen Drohgebärden«, sagte Sowinski. »Die Nordkoreaner haben bei dem amerikanischen Überflug nicht einmal Alarm ausgelöst. Das bedeutet entweder, dass ihr Alarmsystem nichts taugt, dass sie gar kein Alarmsystem haben, dass ihnen der Sprit für ihre Jets ausgegangen ist oder aber dass sie einfach zugeben, Mist gebaut zu haben.«
    »Da bin ich anderer Ansicht«, entgegnete Müller. »Sie haben ihrem Volk doch seit Jahrzehnten eingeimpft, dass der große Feind die elenden, faschistoiden Amerikaner sind. In deren Augen lebt Nordkorea im

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