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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Richtig komisch, finden Sie nicht?«
    »Na ja, ich würde das eher richtig unheimlich nennen«, sagte Edda.
    »Ich danke Ihnen sehr, und ich werde mich revanchieren«, versprach er.
    »Schon in Ordnung«, sagte sie freundlich. »Habe ich gern getan.«
    Er überlegte, ob er ihr ein großzügiges Trinkgeld geben sollte, ließ es dann aber sein, weil es ihm zu angeberisch erschien.
    »Dann grüßen Sie Ihren mutigen Sohn von mir«, sagte er lächelnd und fügte nachdenklich hinzu: »Es ist ja wirklich merkwürdig, auf welche Todesfälle man stößt, wenn man in Hotels wohnt. Was machte er denn für einen Eindruck? Dieser Koreaner, meine ich.«
    »Irgendwie völlig daneben«, antwortete sie. »Er passte einfach nicht in diese … in diese Welt, denke ich. Und das mit den Äpfeln an der Rezeption war ja richtig rührend. Als wenn er sich nichts zu essen kaufen könnte. Alle Klamotten, die er bei sich trug, waren neu. Ganz billig und ganz neu. Dabei hatte er genügend Geld.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Dehner.
    »Ich habe es gesehen, ich brachte ihm einen Hamburger, und er wollte gleich bezahlen, so wie Sie. Er saß an dem kleinen Tisch und hatte Geld vor sich, ziemlich viel Geld. Und dann gab er mir einen Hunderter, und ich sagte: Nein, so viel kostet das doch nicht, und nahm mir einen Fünfer.«
    »Und wie viel Geld war es, was er da auf dem Tisch hatte?«
    Plötzlich verschloss sich ihr Gesicht, und da war nichts mehr von zugewandter Freundlichkeit. Sie wedelte ein wenig hilflos mit den Armen. »Nehmen Sie es nicht übel, Mister Cross, aber wir sollten nicht mehr darüber reden. Die Geschäftsleitung sagt, das ist nicht gut für den Ruf des Hauses.«
    »Ich bitte Sie«, lenkte er lachend ein. »Habe ich jetzt zu indiskret gefragt? Oder war der Mann ein Milliardär, der sich hinter billigen Jeans verschanzte? Oh nein, Edda, Sie müssen mir diese Geschichte nicht erzählen. Lassen Sie es einfach, dann kommen Sie auch nicht in Schwierigkeiten. Und ich danke Ihnen für die Dachführung.«
    Dann lächelten sie einander an, und Dehner stieg im Vierzehnten aus, wo er vorübergehend zu Hause war.
    Er war zufrieden mit sich, er hatte für die ersten paar Stunden in San Francisco mit wenig Aufwand eine reiche Ernte eingefahren, und er fragte sich schon, ob das nicht reiche, ob Sowinski nicht sagen würde: »Okay, kommen Sie heim.«
    Tatsächlich machte er sich Sorgen um seine Mutter, er wollte so schnell wie möglich nach Berlin zurück. Er wusste, sie würde bald sterben, und er konnte sich ein Leben ohne sie absolut nicht vorstellen. Der Arzt hatte bei ihrem letzten Gespräch gesagt: »Sie braucht sich nur eine Erkältung zu holen, dann ist es vorbei.« Er hatte einen Albtraum, der sich oft wiederholte. Seine tote Mutter lag kalt und wächsern auf ihrem Bett und sah sehr schön aus. Und er war zehn und konnte nicht weinen.

FÜNFTES KAPITEL
     
    Müller war schon um sechs Uhr wach. Er räumte sich schnell auf, wie er das nannte, bewegte seine Glieder, machte einige Konzentrations- und Atemübungen, ließ sein Herz ganz langsam und gleichmäßig schlagen, machte dann einen Handstand an der Wand und lehnte seine Fersen dagegen. Er spürte, dass sein Kreislauf gut funktionierte, und zog sich an. Pünktlich saß er beim Frühstück, musste aber fünf Minuten warten, bis Svenja kam.
    »Ich habe miserabel geschlafen«, sagte sie und küsste ihn flüchtig auf die Wange. »Ich hoffe, dir ging es besser.«
    »Na ja«, lächelte er. »Ich kann es ja später nachholen. Lass uns jetzt den Ablauf noch mal durchgehen.«
    »Okay. Ich klingle, warte unten auf der Straße, sie kommt runter, wir umarmen uns und kreischen dabei wie begeisterte Teenager. Dann gehen wir zu einem Bäcker um die Ecke, ein Stück weit entfernt von ihrem Haus, und bestellen uns eine Coke und ein Croissant. Und du bist dran.«
    »Gut«, sagte er. Er aß nur eine Banane und trank dazu einen Kaffee. »Besteht die Möglichkeit, dass dort böse Männer sind?«
    »Sie sagt ja. Aber das will nichts heißen, sie ist nervös, und sie lebt allein. Aber keine Waffen bitte.«
    »Natürlich nicht.«
    Wenige Minuten nach sieben setzten sie sich in ein Taxi und ließen sich in das angegebene Viertel fahren. Nachdem sie ausgestiegen waren, hatten sie noch fünf Minuten zu gehen. Es herrschte dichter Verkehr, und viele Menschen waren auf dem Weg zur Arbeit. Pausenlos fuhren Busse an ihnen vorbei.
    »Es ist das weiße Haus da drüben. Nach den Fotos ist es die Wohnung im ersten

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