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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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und ich konnte eine Nacht ausschlafen. Es regnete ununterbrochen, der Smog hing in einer dicken Wolke über der Stadt, ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, nicht richtig atmen zu können.«
    »Wer kümmerte sich als Nächstes um Sie?«, fragte Krause.
    »Zunächst eine Frau, sie hieß Margret. Sie war eine füllige Blondine um die vierzig und sie sagte dauernd Schätzchen zu mir, Darling hier, Darling dort, Sweety, Love, den ganzen Honig. Sie erfüllte sämtliche Klischees einer lebenslang unterdrückten Amerikanerin, sie war naiv, wenn nicht gar wirklich dumm, das habe ich nicht herausbekommen, aber immer lustig und lebensfroh, na, Sie wissen schon.« »Nein, ich weiß es nicht«, erwiderte Krause. Er war unerbittlich.
    »Sie hatte nicht wirklich das Sagen, sie war nur zuständig für meinen Kaffee und meine gute Laune, für Schätzchens Valium zur Nacht und notfalls auch für meine Frisur. Sie gehörte zu den Menschen, die immer geschäftig durch die Korridore flattern und die einem das Gefühl geben, dass es keine Probleme auf der Welt gibt, solange sie nur da sind.« Sie lächelte leicht in der Erinnerung. »Und wenn sie dann plötzlich nicht mehr da sind, dann fehlt einem was.«
    »Kannte diese Margret Ihren Einsatz, wusste sie, wohin und worum es ging, wo es stattfinden und wie es enden sollte?«
    »Ich glaub nicht. An den wichtigen Einsatzbesprechungen nahm sie nicht teil, sie ließen sie einfach nicht rein. Irgendwann sagte sie zu mir: Vorsicht, Schätzchen, achten Sie auf Larry, Larry ist der wichtige Mann! Ja, der, der wirklich Bescheid wusste, und der, der hinter der Sache stand, war eben dieser Larry. Der war so Mitte, Ende vierzig, war immer dabei, sprach aber nie ein einziges Wort. Er saß nur da und sah mich an und lächelte. Ich hatte das Gefühl, wir wären auf dem Sklavenmarkt, und er müsse mich kaufen. Es war peinlich.«
    »Und war er ein Mann der CIA?«
    »Nicht einmal das weiß ich mit Sicherheit. Ich nehme natürlich an, dass er der amerikanische Resident in der Botschaft in Peking war, denn mit dem übrigen Botschaftspersonal hatte ich nie etwas zu tun. Die CIA-Leute hatten sogar einen separaten Eingang zur Botschaft, also wie immer und überall.«
    »Beschreiben Sie diese Besprechungen mit Larry so genau wie möglich.«
    »Also zunächst war da die Einsatzbesprechung.«
    »War Wu auch dabei?«
    »Nein, war er nicht. Wu war zu dem Zeitpunkt nur ein Name, mehr nicht, aber alle redeten über Wu, erwähnten ihn ständig, machten Witze über ihn.« Sie beugte sich vor und legte beide Hände auf die Knie. Dann schoss ihr Kopf unvermittelt hoch, und sie sah Krause durchdringend an. »Also, Wu ist wohl so was wie ein Maskottchen für alle. Er hat ganz spezielle Aufgaben. Sie haben ihm einen echten GMC-Truck gegeben, so ein bulliges Ding, hoch wie ein Haus, mit jeder Menge PS unter der Haube …«
    »Was heißt sie, Svenja? Wer hat Wu diesen Truck gegeben?«
    »Die US-Amerikaner, vermute ich, oder vielleicht die CIA. Ich lernte Wu am dritten Tag kennen. Er nahm mich in seinem Truck mit zur nordkoreanischen Grenze. Wu ist ein riesiger Südchinese, bestimmt an die zwei Meter groß. Ich würde sein Alter auf etwa dreißig schätzen, und er sieht aus wie der ewige Student, keinesfalls wie ein Truckfahrer. Das ist das Verblüffende an Wu, er wirkt wie ein Intellektueller, randlose Brille auf der Nase, oft ein ironisches Grinsen im Gesicht, dabei richtig sympathisch, kein Schwätzer, mag Beethoven …«
    »Wie bitte?«, fragte Sowinski erstaunt.
    »Ja. Er hatte ja sämtliche amerikanischen Errungenschaften in seinem Truck, inklusive CD- und MP3-Player. Als wir zusammen unterwegs waren, legte er einmal Beethoven mit den Wiener Sinfonikern ein. Er lauscht völlig versunken der Musik, und ich hatte das Gefühl, gleich fährt er vor lauter Begeisterung seinen kostbaren Truck in die nächste Schlucht. Irgendwie ein Irrer, aber auf seine Art gut. Also, ich meine im Vergleich zu all den Amerikanern, denen ich im Grund völlig gleichgültig war.
    Er war auch der Einzige, der mich warnte. Er sagte mir ganz deutlich: Du musst das allein durchziehen, jeder von denen kocht sein eigenes Süppchen.«
    »Können wir noch einmal zurückgehen zum zweiten Tag, dem Tag der Einsatzbesprechung?«, bat Krause.
    Es war deutlich zu sehen, dass sie das nicht wollte, denn sie presste plötzlich die Lippen aufeinander und machte eine unwillige, abweisende Geste mit beiden Händen.
    »Ich weiß«, sagte Krause, »dass das ein

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