Bruderdienst: Roman (German Edition)
Teppichboden.
Stattdessen sagte Sowinski in die Stille: »Weil der Bruderdienst uns um Müller gebeten hat und weil Sie Angst haben, dass Müller verheizt wird. Genau wie Sie damals, oder?«
»Ja«, nickte sie. »Die haben mich verheizt, also könnten sie ebenso gut auch Karl verheizen.«
Sowinski machte eine hektische Bewegung, als habe er einen Stromstoß erhalten. »Unser Haus stellte Sie den Brüdern zur Verfügung und wusste somit genau – oder hätte zumindest genau wissen müssen -, was passieren würde. Meinen Sie das?«
»Dieses Haus hat mich im Stich gelassen«, sagte sie leise. »Weil ich so aussehe, wie ich eben aussehe, bin ich ausgeliehen worden. Wie ein Fußballer an einen billigen Provinzverein.« Sie hielt die Augen geschlossen. »Ich möchte die Sache jetzt ein für alle Mal hinter mich bringen und einmal sagen, was ich denke. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Brüder nicht eine Agentin gehabt hätten, die ähnliche Qualitäten hat wie ich. Warum wollten sie ausgerechnet mich?«
»Wir sind doch hier unter uns«, sagte Krause leise und voller Erstaunen. »Mein Gott. Natürlich dürfen Sie das fragen.« Er senkte den Kopf, schwieg, die Finger seiner linken Hand trommelten kurz auf der Schreibtischplatte.
»Ich komme gegen dieses Gefühl nicht an«, erklärte sie tonlos. »Das hat mit Ihnen beiden nichts zu tun. Was ist, wenn Karl Müller stirbt?«
»Ich begreife Ihre Angst jetzt, Svenja«, sagte Krause. »Ich begreife sie nur zu gut. Und ich weiß im Moment noch nicht, was ich gegen unsere Hilflosigkeit unternehmen soll.«
Das Schiff war definitiv ein Schrotthaufen, aber jetzt brannte in dem kleinen Steuerhaus zumindest eine matte Funzel, und Müller konnte ein paar Dinge in seiner unmittelbaren Umgebung erkennen. Da gab es zu seinen Füßen diesen total betrunkenen Mann, der zuweilen ein paar Silben lallte.
Er war vielleicht fünfzig Jahre alt, ein Koreaner, klein und dicklich, unrasiert und ungewaschen. Er stank unbeschreiblich und versuchte beharrlich immer wieder, sich eine Zigarette anzuzünden. Er konnte seine Bewegungen nicht mehr koordinieren. Nach dem vierten gescheiterten Versuch nahm Müller ihm die Schachtel ab, zündete eine Zigarette an und gab sie dem Mann vorsichtig in die rechte Hand. Der verbrannte sich augenblicklich die Finger, er fluchte und warf die Zigarette einfach auf den Boden neben sich.
Müller trat sie aus.
Er sah einen uralten, dreibeinigen Schemel, auf dem der Skipper wohl gewöhnlich saß. Daneben stand eine vollgepackte Leinentasche auf dem Boden. Es gab noch ein kleines Regal, auf dem alle möglichen Dinge lagen, die irgendwie mit dem Schiff zu tun hatten. Dann war da ein Haken an der hinteren Wand, an dem schrillgelbes Ölzeug hing. Die Scheiben des Steuerstandes waren so verschmiert und dreckig, dass es unmöglich schien, irgendetwas durch sie hindurch zu erkennen.
»Kaffee«, forderte der Mann herrisch.
»Gut, mein Freund. Und Wasser?«, sagte Müller auf Englisch.
Der Betrunkene deutete vage in eine Richtung.
Müller entdeckte die Plastikflasche mit Wasser auf dem Boden und goss etwas davon in den Topf mit dem Tauchsieder. Aber er fand keine Steckdose. Stattdessen entdeckte er ein Verlängerungskabel, das aus dem Nichts zu kommen schien. Er nahm dem Mann die Schnapsflasche ab und stellte sie in eine Ecke.
»Kaffee? Wo ist denn der Kaffee?«
»Da«, sagte der Mann und deutete wieder mit einer unkontrollierten Bewegung irgendwo in den Raum.
Müller sah ein zweites kleines Regal, nur zwei Bretter, und darauf ein Glas mit Pulverkaffee und ein paar Porzellanbecher, nicht gespült und offensichtlich schon ewig in Gebrauch.
»Wenn du die Speerspitze der hiesigen Spionageliga bist, dann seid ihr echt arm dran«, murmelte er und schaufelte vier gehäufte Teelöffel Kaffeepulver in einen Becher. »Und wenn du einen Herzfehler hast, ist das hier dein Tod.«
Das Wasser kochte schnell, aber der kleine, billige Topf war so heiß, dass Müller ihn nicht mit bloßen Händen anfassen konnte. Er sah weder ein Tuch noch Arbeitshandschuhe in der Nähe. Stattdessen fand er eine Zange, die in dem kleinen Regal neben einem Hammer lag. Er setzte die Zange so lange an, bis er den richtigen Winkel herausfand und den Topf zum Ausgießen kippen konnte.
Das machte großen Eindruck auf den Kapitän. Er nuschelte: »Ah, gut so!«, und es war zweifellos Englisch, was er sprach. Dann griff er nach dem ebenfalls heißen Becher, aber er schien sich nicht
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