Bruderdienst: Roman (German Edition)
Chef?«, fragte Müller.
»Das ist der Chef des Bootes«, antwortete der Koreaner. »Also, wir nennen ihn den Chef. Er hat schon oft für uns gearbeitet, er ist völlig okay.«
»Was habe ich jetzt zu tun?«, fragte Müller sachlich. Er fand die Bemerkung, der Chef habe schon oft für irgendjemanden gearbeitet, völlig unprofessionell und unangebracht.
»Sie nehmen ein Taxi und geben als Ziel den alten Fischereihafen an. Die Fahrt dauert eine gute Stunde. Dort gehen Sie auf ein Boot, das am Bug zwei rote Lichter nebeneinander zeigt. Dieses Boot liegt am zweiten Anleger von links in einer Reihe von Fischerbooten.« Der Koreaner sah auf seine Uhr und setzte lächelnd hinzu: »Viel Zeit haben Sie nicht mehr, Sir.«
»Ich werde da sein«, sagte Müller, stand auf, reichte dem Mann die Hand, um den Anschein zu wahren, sie wären gute Bekannte, und ging langsam zum Lift. Dann drehte er sich noch einmal um, sah den Koreaner auf den Ausgang zugehen und in den strömenden Regen hinaustreten. Erst dann beeilte er sich.
Er entschied sich für eine Weste, die man gemeinhin Anglerweste nennt und die genügend Taschen besitzt, um alles am Körper zu tragen, was möglicherweise gebraucht werden könnte. Sie hatte zwar einen paramilitärischen Touch, was er grundsätzlich nicht leiden konnte, aber warum sollte ein Gast auf einem Fischerboot eine solch praktische Weste nicht tragen? Ich halte mich mit unwesentlichen Einzelheiten auf, dachte er seufzend.
Dann die Frage der Waffe. Krauses Kommentar, dass möglicherweise Waffen nötig sein könnten, bereitete ihm immer noch Kopfzerbrechen. Bisher gab es nicht den Hauch einer Gefahr. Die Aufpasser im Fall der Raketenwissenschaftlerin hatten jedenfalls keine wirkliche Bedrohung dargestellt. Auf der anderen Seite waren Krauses Bedenken in jeder Hinsicht ernst zu nehmen. Also packte er die Waffe in eine Rückentasche und die drei Ersatzmagazine in zwei längliche Taschen hoch an der Brust.
Dann der Kontrollanruf. Er ging auf eine sichere Leitung, die alle zwanzig Minuten geprüft wurde, und sprach seinen Text. »Hier ist Nummer dreizehn mit dem Start des Einsatzes um Ortszeit 4.15 Uhr. Es geht zum alten Fischereihafen. Ablegen des Bootes in das Chinesische Meer um ungefähr sechs Uhr. Dauer der Operation unbestimmt.«
Kurz darauf meldete sich sein Handy, und Svenja fragte: »Kommst du klar?«
»Ich hoffe doch«, erwiderte er. »Wann bist du gelandet?«
Sie führten ein nicht geduldetes und ungesichertes Telefonat, daher sprachen sie nur in Andeutungen.
»Gerade eben«, antwortete sie. »Pass auf dich auf. Ich hab gehört, dass die Gewässer, in denen du fischen gehen willst, nicht ungefährlich sind.«
»Ich denke, mein Skipper kennt sich da ganz gut aus. Wie kommst du darauf?«
»Weil ich weiß, dass da überall Haie rumschwimmen und arme Fischer erschrecken.«
»Sie wissen ja nicht, dass ich komme.«
Sie lachte etwas gekünstelt und sagte dann plötzlich ernst: »Jedenfalls sollst du aufpassen, ich brauche dich noch.«
»Ich bemühe mich.« Einen Moment lang war er von einer tiefen Zärtlichkeit erfüllt, die ihn verwirrte.
Er nahm nicht den Lift, sondern lief die sechs Stockwerke zu Fuß hinunter, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Mehrere Taxis standen in einer Reihe vor dem Hotel, und alle Fahrer schliefen. Er wählte einen Mercedes und war sich bewusst, dass das typisch war für ihn. Nicht irgendein Auto, sondern einen original deutschen Mercedes. Der Fahrer war noch sehr jung und trug eine lange Mähne.
Kaum hatte Müller seinen Zielort genannt, bemerkte er grinsend und mit verwaschener Stimme: »Sie haben zwei Möglichkeiten, Mister. Entweder wir fahren langsam, und ich halte bei dieser oder jener wirklich guten Nutte an. Oder wir fahren schnell.«
»Aha«, murmelte Müller. »Hasch oder Pillen?«
»Nicht doch, nicht doch. Oder wollen Sie was wirklich Gutes rauchen?«
»Fahren Sie schnell«, sagte Müller. »Einfach nur schnell.«
Die Stadt war riesig, sie hatte einfach kein Ende. Mal war sie dunkel wie ein hingeducktes Tier, dann wieder gleißend hell wie in einem Rauschzustand. Müller schloss die Augen.
Nacht anderthalb Stunden Fahrt bremste der Fahrer plötzlich scharf und sagte: »Okay, Mister. Da vorn beginnt der Hafen. Weiterfahren darf ich nicht. Es macht hundert Dollar, weil Sie es sind.«
Müller zahlte, ohne zu handeln, er wollte nicht, dass er sich jemandem einprägte, er wollte nur transportiert und sofort wieder vergessen werden.
Rechts
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