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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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zu verbrennen. Er schlürfte ein wenig von der kochend heißen Brühe, es schien ihn zu beleben. Er nahm noch ein paar Schlucke, dann stellte er fest: »Wir müssen raus!«
    »Das denke ich auch«, stimmte ihm Müller zu. Er versuchte, sich auf seinen Job zu konzentrieren, und sagte: »Ich brauche vierzig Sardinen.«
    Der Betrunkene merkte auf und antwortete prompt: »Die holen wir uns aus dem Meer.«
    Zumindest war das der Mann, den er treffen sollte, und Müller fragte sich wieder einmal, wer in Berlin sich wohl diese dämlichen Codes ausdachte und ob sie wirklich notwendig waren.
    »Wir brauchen diese Codes«, pflegte Sowinski immer wieder zu betonen. »Sie machen ein Unternehmen erst sicher, sie sind quasi eine Lebensversicherung.«
    Müller verließ das Steuerhaus und ließ die Tür hinter sich weit offen.
    Das kleine Schiff war sehr breit und sehr kurz, und es war unvorstellbar, dass damit überhaupt ein Meer befahren werden konnte. Es hatte zwei Netzbäume, an denen die Reste von Netzen baumelten, die sicher seit einer Generation nicht mehr benutzt worden waren. An Deck ein Durcheinander an alten rostenden Gegenständen, deren Zweck nicht mehr festzustellen war. Des Weiteren Seile, Kabeltrommeln, leere Ölkannen, dubiose Behälter aller Art, alles verrottet.
    Der Tag war hereingebrochen, das Licht wurde zusehends heller, von See her zog Nebel in sanften Schleiern auf.
    Der Mann im Steuerhaus versuchte offensichtlich, sich aufzurappeln. Die ersten Versuche misslangen, wie Müller seinem Fluchen entnahm. Dann übergab er sich ausgiebig und schimpfte gleichzeitig dabei.
    Müller konzentrierte sich auf die anderen Boote in dem Becken und sah viele Leute auf den kleinen Schiffen arbeiten, ein Motor nach dem anderen wurde angelassen, und die Kähne lösten sich langsam von der Mauer und glitten tuckernd auf den Ausgang des Beckens zu. Das war gar nicht gut, weil die Leute neugierig waren und zu ihm herblickten und weil er hier sehr fremd wirkte und gänzlich im falschen Film.
    Er sah einen grünen Plastikeimer mit einem kurzen Stück Seil ganz vorn im Bug liegen. Er ging dorthin, holte den Eimer, füllte ihn mit dem brackigen, dunkelbraunen und übel riechenden Wasser, trug ihn dann zum Steuerhaus und goss die Brühe über seinen betrunkenen Kapitän.
    Der schien das nicht übel zu nehmen, im Gegenteil, er grinste matt.
    »Komm endlich hoch, verdammt!«, schimpfte Müller.
    »Gleich«, sagte der Kapitän undeutlich.
    Dann meldete sich sein Handy, und Müller sah im Display, dass der Ruf über eine sichere Leitung kam.
    »Hallo, mein Junge«, dröhnte Sowinski. »Ich wollte nur mal hören, wie die Geschichte so läuft.«
    »Gut«, antwortete Müller leichthin. »Alles klar, ich bin an Bord, wir sind unterwegs.«
    »Das ist gut. Und melden Sie sich nach Vollzug.«
    »Wie immer«, antwortete Müller.
    Dann wurde er unversehens ärgerlich. Was sollte diese Fragerei? Das machten sie doch sonst nicht. Gab es vielleicht etwas, was sie ihm in Berlin verschwiegen hatten?
    Er nahm den grünen Plastikeimer und füllte ihn erneut mit Wasser. Er kippte den ganzen Schwall in das Steuerhaus. Dann noch einen Eimer und noch einen.
    »Starten Sie jetzt, und zwar sofort!«, brüllte er und wusste im gleichen Augenblick, dass das Brüllen nichts nutzte.
    Der Skipper antwortete irgendetwas, was er nicht verstand. Dann stieg ein hohes Winseln aus dem Schiffsleib auf, und die Maschine lief an.
    »Na also!«, schnaubte Müller.
     
    Es war bereits nach sieben, als sie durch die Einfahrt des Beckens glitten. Müller ließ sich auf dem rostigen Deck nieder und ließ den Kopf hängen. Er fror, es war saukalt. Er stand wieder auf, ging in das Steuerhäuschen, griff nach der Schnapsflasche und nahm einen Schluck. Der Schnaps schmeckte billig, scharf und irgendwie gnadenlos. Der Skipper grinste, sagte aber kein Wort.
    Nach zwei Stunden gleichmäßiger Fahrt in kabbeliger See erschien Müller erneut im Steuerhaus. Er fand weder einen Kompass noch eine Seekarte, er sah absolut nichts, woran er sich hätte orientieren können. Ringsum kein anderes Boot, nur Nebelschleier, über ihnen ein paar schreiende Möwen. Und – das war wirklich erschreckend: Sein Skipper hatte keine Hand am Steuerrad. Das war vielmehr blockiert durch einen Holzstab, und es sah so aus, als sei das ziemlich häufig so.
    »Was soll das?«, fragte er. »Wohin bist du denn unterwegs?«
    »Nach Topo«, antwortete der Skipper seelenruhig. »Noch zwei Stunden geradeaus, dann nach

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