Bruderdienst: Roman (German Edition)
in der immer noch nicht klar ist, wo Nordkorea aufhört und das freie Meer beginnt. Er hat einen Mann aufgenommen, von dem wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass er der falsche Mann ist. Irgendein Subalterner aus dem Transportministerium, der anscheinend nichts zu sagen hat. Das ist eine sehr mysteriöse Geschichte.«
»Und was sagt Archie dazu?«
»Er weiß es noch nicht, und ich werde es ihm auch nicht auf die Nase binden. Ich hätte nicht übel Lust, so zu tun, als hätten wir seinen Mann.«
»Was soll das bringen?«
»Wahrscheinlich sehe ich Gespenster. Lass uns von was anderem reden.«
»Du bist ein misstrauischer alter Mann.«
»Nicht dir gegenüber«, erwiderte Krause beinahe liebevoll. »Ich wünsche mir sehr, dass ich mich täusche.«
Der Kaffee kam, Krause bekam sein Käsebrötchen und Moshe seine Bockwurst.
»Als wir diese Heuschrecken untersuchten, ist mir klar geworden, dass man den direkten Kauf einer solchen Waffe eigentlich nicht nachweisen kann. Das muss man sich mal vorstellen: neuntausend Hedgefonds! Und wenn es notwendig ist, fusionieren sie miteinander und trennen sich gleich darauf wieder. Das ist ungeheuer viel Macht. Und wenn du zwei Komponenten miteinander in Verbindung bringst, Bargeld nämlich und den unbedingten Willen zum politischen Durchbruch, dann sehen wir sehr alt aus. Das Käsebrötchen ist wie Pappe.«
»Die Wurst schmeckt auch nicht«, sagte Moshe. »Glaubst du, dass die Amerikaner nach Nordkorea gehen?«
»Irgendwann wird das passieren. Und sie werden erneut einem Volk mit aller Macht die Demokratie bringen wollen. Und sie werden erneut auf die Schnauze fallen, weil das Volk dann damit beschäftigt sein wird, das eigene Chaos zu überleben und nicht über seine politische Zukunft zu grübeln. Hast du andere Nachrichten?«
»Nein, habe ich nicht. Aber ich weiß, dass der Präsident aus tiefstem Herzen wenigstens einen einzigen Krieg führen möchte, aus dem er als glatter Sieger hervorgeht.«
»Das hat etwas Manisches«, sagte Krause. »Habt ihr euch mal gefragt, wann denn der Besitzer der Waffe in die Öffentlichkeit treten wird?«
»Ja, haben wir. Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass das zunächst nicht der Fall sein wird. Die Erpressung wird unter der Hand laufen.«
»Ihr seid richtig kluge Leute!« Krause lächelte. »Und ich denke, wir sollten uns die Mühe machen, den Grundsatz zu beherzigen: Wenn du absolut keine Fährte hast, musst du selbst eine legen.«
»Das ist aber sehr gewagt«, stellte Moshe fest.
»Lassen Sie niemanden in Ihr Zimmer!«, hatte Sowinski kühl angeordnet. »Und falls sich jemand mit Gewalt Zutritt verschafft, dann versuchen Sie vorher noch eine Standleitung in das nächste Polizeirevier aufzumachen und denen zu sagen, was los ist. Okay, jetzt passen Sie auf: Es wird jemand kommen. Ich kann nicht genau sagen, wann. Aber er wird sechsmal kurz gegen die Tür klopfen. Und dann öffnen Sie. Können Sie überhaupt an die Tür gehen?«
»Gehen kann ich nicht, stehen auch nicht«, hatte Dehner geantwortet. »Aber irgendwie schaffe ich das schon.«
»Haben Sie Schmerzmittel?«
»Nein. Aber der Schmerz hält mich wach. Das ist ja schon mal was. Und ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich muss das erklären …«
»Erklären können Sie das später. Sammeln Sie jetzt lieber Ihre Kräfte.«
Er hatte ein Dutzend Mal vergeblich versucht aufzustehen oder wenigstens das Bett zu erreichen. Er lag noch immer auf dem Boden in der Mitte des Zimmers, aber es war ihm immerhin möglich, ohne Schmerzen zu atmen. Vermutlich war er eine ganze Zeit lang bewusstlos gewesen. Draußen war es inzwischen dunkel.
»Werden die wirklich wiederkommen?«, hatte er Sowinski gefragt.
»Ich denke schon«, hatte der geantwortet. »Sie setzen zunächst Schläger ein, um den Gegner weichzuklopfen und seinen Widerstand zu brechen. Später kommen sie mit Profis wieder, die gezielt fragen. Bleiben Sie ruhig und riskieren Sie nichts. Und geben Sie auf keinen Fall Ihre wahre Identität preis. Bleiben Sie bei Cross aus Tulsa in Oklahoma, seien Sie stur.«
»Können Sie meine Mutter benachrichtigen, falls mir was zustößt?«, bat Dehner.
»Junge, wir holen Sie da in jedem Fall heraus, was immer auch passiert.«
Dehner dachte: Hoffentlich muss ich jetzt nicht pinkeln! Er spürte im Beckenbereich nur diesen stark pochenden, bohrenden Schmerz und dieses Völlegefühl, als werde er gleich platzen. Der Schmerz verlief seltsam parallel zu seinen
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