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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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der Wüste zu durchsuchen. Ich fand jedoch nichts, was auf sein Hobby hindeutete, nicht einmal ein Tagebuch. Letztlich war der einzige Gegenstand in Orsons Schlafzimmer, der entfernt seine Vorliebe für Gewalt widerspiegelte, ein großer Druck von William Blake an der Wand gegenüber seines Bettes – genannt »Der simonistische Papst«, ein handkolorierter Kupferdruck, der die Höllenflucht des Papstes Nikolaus des Dritten in einem Flammenfass mit brennenden Fußsohlen zeigt. Ich kannte dieses Bild. Es ist eine Illustration der Hölle, Canto 19 aus Dantes Göttlicher Komödie. Wer Orson nicht kannte, mochte vielleicht etwas erstaunt über seinen morbiden Wandschmuck sein.
    Ich ging den Flur entlang bis zum Gästezimmer, das unpersönlich und voll gestopft mit einzelnen, nicht zueinander passenden Möbelstücken war. Der Schrank war genau wie die Schubladen der beiden Nachttische leer. Ich bezweifelte, dass je jemand in dem Einzelbett geschlafen hatte.
    Ich schlich wieder zurück auf den Flur und ging ein paar Stufen hinunter. Aus dem Esszimmer erklang Orsons leise Stimme. Stühle wurden gerückt – Schritte gingen in Richtung Eingangshalle. Ich trat zwei Schritte zurück, und als ihre Schritte weiter in meine Richtung kamen, eilte ich die restliche Treppe hinauf und rannte über den Flur zurück in den Kleiderschrank.
    Sie betraten das Schlafzimmer und ließen sich gemeinsam auf das Bett fallen. Ich hörte Orson sagen: »Ich mag dich sehr.«
    »Ich mag dich auch.«
    »Ja?«
    »Sonst wäre ich doch wohl nicht hier.« Arlenes Stimme klang, als sei sie um die dreißig, etwas kehlig, aber mit einem Rest mädchenhafter Unschuld. Ich wusste, warum Orson sie mochte. Die Lampe auf seinem Nachttisch wurde ausgeschaltet. Sie küssten sich eine Weile in der Dunkelheit und das intime Geknutsche erinnerte mich an die Freitagabende unserer Highschool-Zeit.
    »Was würdest du von mir denken, wenn ich das täte?«, fragte er.
    »Ooooh.«
    »Ja?«
    »Uh huh.« Einen Moment lang waren nur feuchte, saugende Geräusche zu hören.
    »Rate mal, was ich in der Hosentasche habe«, sagte Orson schließlich.
    »Mmm. Was ist es denn?«
    »Du musst es erraten, Dummchen.«
    »Ist es rund und wellenförmig?«
    »Nein, es ist hart.«
    »Mmm.« Sie schauderte in freudiger Erwartung. Ich hörte, dass der Alkohol ihre Stimme schleppend gemacht hatte.
    »Und sehr scharf.«
    »Huh?«
    »Hast du irgendwelchen Freundinnen von mir erzählt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Weiß irgendjemand, dass wir miteinander ausgehen?«
    »Warum? Spielt das eine Rolle?«
    »Antworte mir einfach.« Ich hörte leichte Verärgerung in seiner Stimme, die sie mit Sicherheit gar nicht registrierte.
    »Nur den Kolleginnen bei der Arbeit.«
    Orson seufzte.
    »Ich habe dich doch gebeten, niemanden zu erzählen, dass wir uns treffen. Hast du ihnen meinen Namen genannt?«
    »Warum?«
    »Arlene, hast du ihnen meinen Namen genannt?«
    »Ich weiß es nicht mehr.« Ihre Stimme wurde weicher. »Was hältst du hiervon, Liebling?« Ein Reißverschluss wurde aufgezogen, gefolgt von einer plötzlichen Bewegung in der Dunkelheit. »Rühr mich nicht an!«, zischte er.
    Das Bett quietschte, und ich überlegte, ob sie sich wohl aufgesetzt hatte.
    »Schalt das Licht ein«, sagte sie. »Schalt es ein!« Es blieb dunkel.
    »Hast du deinen Freundinnen meinen Namen genannt?«
    »Warum benimmst du dich so eigenartig?«
    »Antworte mir, damit ich dir zeigen kann, was ich in der Tasche habe.«
    »Ja, ich hab ihnen deinen…«
    »Verflucht noch mal!«
    »Was?«
    »Du kannst jetzt gehen.«
    »Warum?«
    »Hau ab!«
    »Was ist los mit dir?« Ihre Stimme klang, als würde sie gleich heulen. »Ich dachte… ich meine… ich mag dich, und ich dachte…«
    »Ich hatte heute Nacht etwas ganz Außergewöhnliches für uns geplant. Und du hast es gerade ruiniert. Ich wollte dich öffnen, Arlene.«
    »Wie meinst du das?«
    »Los, raus aus meinem Haus!«
    Wieder quietschte das Bett, dann knackte der Boden und es klang, als ob Kleidungsstücke glatt gestrichen würden.
    »Ich kann nicht glauben, dass… Ich meine, du brauchst Hilfe, David.«
    »Vielleicht.«
    »Du kannst zu…«
    »Ich rate dir, das Haus zu verlassen, solange du dazu noch in der Lage bist.«
    Sie stürmte aus dem Schlafzimmer auf den Flur und schrie: »Ausgeflippter Idiot!« Als sie die Haustür erreicht hatte, schluchzte sie.

Kapitel 25
     
    Nachdem Arlene weg war, blieb Orson eine Weile in der Dunkelheit sitzen. Aus irgendeinem Grund dachte ich,

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