Bruderherz
kannst das einfach mit mir machen?«
Ich hatte gerade wieder etwas Luft in der Lunge, als er mir einen Faustschlag in die Eingeweide unterhalb des Nabels versetzte. Als ich mich nach vorne krümmte, traf er mit seinem Knie mein Gesicht und ich ging zu Boden.
Sofort war er über mir und seine Finger gruben sich in meinen Bauch. Meine Hände umklammerten immer noch mit eisernem Griff die Pistole. Ein heftiger, stechender Stich fuhr mir durch das Hemd in den Rücken. Ich stöhnte auf.
»Ja, das gefällt dir, nicht wahr? Ich werde es wieder und wieder tun.« Erneut stach er mit der Nadel zu. Ich spürte, wie er sie in mir hin und her bewegte. »Du wirst aufgeben«, sagte er. »Und ich werde das ganze Wochenende damit zubringen, dich zu töten. Was hältst du davon, Andy?! Was?!«
Ich dachte nur, dass ich wenigstens versuchen sollte, Widerstand zu leisten, doch wenn ich mich bewegte, gelang es ihm womöglich, mir die Waffe zu entreißen.
»Runter von mir!«, grunzte ich. »Lass mich los, du Arschloch!«
»Oh, na gut.« Ein harter Knochen schlug gegen meinen Hinterkopf, der Schmerz war überwältigend. Ich spürte, wie die Nadel herausgezogen und erneut hineingestochen wurde.
»Ah, Mist!«, murmelte er. Erneut schlug er mir auf den Kopf, aber der Schlag war längst nicht mehr so kräftig. »Andy, du Mistkerl.« Er ging zu Boden, fiel auf seine Hände und Knie und versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. »Bleib wach«, murmelte er. »Nein, nein.«
Ich zog mir die Nadel aus dem Rücken, stand auf und ging zur offenen Tür seines Schlafzimmers. Mein Gesicht fühlte sich geschwollen an und mit dem linken Auge konnte ich nur noch verschwommen sehen. Doch das Adrenalin kaschierte den Schmerz und sogar die tiefen, winzigen Löcher in meinem Rücken. Unter meinem Arbeitsoverall rann mir Blut die Beine entlang. Orson kippte auf die Seite.
»Nein«, seufzte er schläfrig, und seine Stimme wurde lallend. »Andy. Mach so etwas nicht…« Er schloss die Augen und war still.
Es klopfte an der Haustür. Ich hielt die Waffe am Lauf fest und schlug sie Orson gegen die Stirn, bis ich Blut sah. Dann rannte ich auf den Flur und die Treppe hinunter.
»Walter?«, rief ich durch die Tür.
»Ich bin’s«, antwortete er. Ich ließ ihn rein. Die nächtliche Kälte strahlte von seiner Kleidung ab. »Wo ist dein Bruder… O Gott, dein Gesicht…!«
»Ich bin in Ordnung. Komm«, sagte ich und ging wieder die Treppe hinauf. »Zieh deine Gummihandschuhe an. Er ist oben.«
Kapitel 26
Während Walter Orson in seinen Boxershorts die Treppe hinunterschleifte und ihn in einem Perserteppich mit Blumenornamenten einrollte, durchsuchte ich erneut alle Winkel des Schlafzimmers meines Bruders. Unter dem Bett fand ich den Schuhkarton mit Mikrokassetten und zwei weiteren Videobändern, aber das war auch schon alles. Auch ein erneutes, gründliches Durchsuchen des Kleiderschranks brachte nichts Ungewöhnliches zutage. Als ich auch im Gästezimmer nichts fand und damit begann, ein zweites Mal sein Arbeitszimmer zu durchforsten, kochte ich langsam vor Wut.
»Siehst du das?«, sagte ich, als ich auf den Flur trat und mir den Schuhkarton über den Kopf hielt. »Mehr gibt’s nicht in seinem verdammten Haus, was irgendjemandem beweisen könnte, wer er wirklich ist.«
Walter saß in seinem, mit meinem identischen, Arbeitsoverall auf dem im Teppich zusammengeschnürten Orson.
»Es gibt noch mehr solcher Bilder«, sagte ich. »Fotos von mir, die zeigen, wie ich anderen fürchterliche Dinge antue. In einem Schließfach oder einem Tresor. Weißt du, was passiert, wenn dieses Arschloch hier nicht mehr seine Miete bezahlen kann, weil er tot ist? Sie werden das Haus hier entrümpeln und Fotos finden, auf denen ich einer Frau das Herz aus der Brust schneide.« So, jetzt weißt du es.
Walter sah mich an, schien jedoch keine weiteren Erklärungen zu erwarten. Er stand auf und ging über das Parkett in Orsons Bibliothek. Er nahm die Karaffe vom Schreibtisch und goss reichlich Cognac in ein passendes Glas.
»Willst du auch einen?«, fragte er, während er das Glas gekonnt schwenkte, um den Weinbrand zu erwärmen.
»Bitte.« Er schenkte mir auch ein Glas ein und brachte es herüber ins Wohnzimmer. Wir setzten uns auf Orsons Futon vor den Kamin, schwenkten und tranken schweigend unseren Cognac und warteten beide auf diese euphorisierende Wirkung, die jedoch ausblieb.
»Wird er es uns sagen?«, fragte Walter schließlich.
»Uns was sagen?«
»Wo die Fotos von
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