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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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kein einziges Segel gesichtet und nichts von den Ereignissen jenseits des fernen Horizonts erfahren hatten. Er mußte alle Kraft zusammennehmen, um die eigene Ungeduld zurückzudrängen.
    »Was machen die Männer?« Er griff nach einem sauberen Hemd, zog dann aber die Hand zurück. Das alte mußte reichen.
    Was hatte es für einen Sinn, seinen Diener damit zu plagen, mehr als unbedingt notwendig zu waschen?
    Ellice zuckte mit den Schultern. »Fröhlich sind sie gerade nicht, Sir. Es ist schon schlimm genug, auch ohne daß sie die ganze Zeit über nach einem Schluck Wasser lechzen.«
    »Wasser ist kostbar, Mr. Ellice.« Die Ration hatte jetzt auf eine Pinte pro Kopf und Tag herabgesetzt werden müssen, was beileibe nicht ausreichte. Aber wer wußte schon, wie lange diese Patrouille dauern würde? Er hatte die Tagesration an Mm Taylor, wie der herbe Weißwein aus dem Versorgungsdepot genannt wurde, heraufgesetzt, aber das schaffte nur zeitweilige Abhilfe. In wenigen Stunden waren die Leute genauso durstig wie vorher. »Ich muß so viel frisches Obst ausgeben lassen wie möglich«, murmelte er vor sich hin. »Die einzige Möglichkeit, Krankheiten vorzubeugen.«
    Sonderbar, welch ein Geschrei und welche Debatten es in Antigua gegeben hatte, als er auf einer vollen Ladung Obst für seine Mannschaft bestand. Vielleicht hatte der Admiral darauf angespielt, als er sagte: >Sie sind in vieler Hinsicht ein Idealist!< Doch seinem auf die Praxis gerichteten Geist kam es nur vernünftig vor. Obwohl er das Obst aus eigener Tasche bezahlt hatte, war das eine bessere Anlage als die Methode, sich bei den Männern sonstwie beliebt zu machen. Ein tüchtiger und gesunder Matrose war weitaus mehr wert als ein Korb Früchte.
    Doch das war ja nicht alles. Die Erkrankten wurden von ihren Gefährten gepflegt, und auch deren Arbeit mußte dann wieder von anderen mitgemacht werden. Und so ging es weiter. Doch gab es noch immer viele Kapitäne, die als Maßstab ihrer Erfolge nur die Höhe der Prisengelder kannten. Er schob das Hemd in die Hose und sagte: »Trinken Sie einen Schluck, wenn Sie wollen, Mr. Ellice.« Er sah nicht hin, als der dicke Mann schnell zum Wandschrank watschelte und sich eine gehörige Portion Brandy einschenkte.
    Ellices Hand zitterte, als er sich einen zweiten Drink eingoß und hinunterstürzte. Dann murmelte er: »Vielen Dank, Sir. Der erste heute.«
    Bolitho blickte auf das sich kaum bewegende Kielwasser. Die Sonne stand hoch am Himmel. Wahrscheinlich hatte Ellice sich schon eine anständige Portion aus seinem Privatvorrat zu Gemüte geführt. »Sie sind in Antigua gar nicht an Land gegangen, Mr. Ellice? Sie hätten nur zu fragen brauchen.«
    Ellice fuhr mit der Zunge über die Lippen, und seine Augen glitten über die Karaffe. »Ich gehe nie mehr an Land, Sir. Aber vielen Dank. Anfänglich bin ich jedesmal wie ein liebeskrankes Mädchen im Gras spazierengegangen und habe dann geweint, wenn die Küste wieder hinter der Kimm versank.« Er sah, daß Bolitho zur Karaffe nickte, und goß sich schnell noch einen Drink ein. »Jetzt schaue ich kaum hoch, wenn das Schiff ausläuft.« Er schüttelte den Kopf. »Außerdem habe ich sowieso alles gesehen.«
    Es klopfte. Ehe Bolitho >herein< rufen konnte, wurde die Tür aufgestoßen, und Leutnant Vibart stampfte in die Kajüte. Er sah überanstrengt und wütend aus und platzte sofort mit seiner Nachricht heraus. »Ich muß melden, daß wir kaum noch Frischwasser haben, Sir.«
    Bolitho musterte ihn einige Sekunden. »Was sagen Sie?«
    Vibarts Blicke flogen durch die Kajüte. »Ich habe den Küfer draußen. Es dürfte Zeit sparen, wenn er Ihnen selber Meldung erstattet.«
    Bolitho ignorierte Vibarts ungebührliches Benehmen. »Holen Sie ihn herein.« Er war froh, daß er mit dem Rücken zum Heckfenster stand, so daß sein Gesicht im Schatten lag. Alles schien sich gegen ihn zu verschwören und ihn zu verhöhnen.
    Eben hatte er die vorrangige Sorge offen mit Ellice diskutiert, da loderte sie auch schon wie ein Feuerbrand auf.
    Mr. Trevenen, der Küfer der Phalarope, war ein zwergenhafter, für seine extrem schwachen Augen bekannter Unteroffizier.
    Er hatte zu lange Jahre in zu vielen dunklen Laderäumen zugebracht. Jetzt war er halb blind wie ein Nachtgeschöpf. Während er unter Bolithos festem Blick unruhig blinzelnd von einem Fuß auf den anderen trat, wirkte er klein und wehrlos.
    Bolitho unterdrückte das Mitleid, das er bei den seltenen Begegnungen mit dem Küfer stets empfand.

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