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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Kriegsartikel könnte ich Sie unverzüglich hängen lassen. Wie die Dinge liegen, beabsichtige ich jedoch, Sie einem Kriegsgericht zu übergeben, sobald Gelegenheit dazu ist.«
    Vom Hauptdeck klang leises Gemurmel herauf, und Allday wußte, daß er in den Augen der anderen bereits eine Leiche war.
    Bolitho wandte sich ab. »Legen Sie ihn in Eisen, Mr. Vibart.
    Aber jede unnötige Brutalität würden Sie vor mir verantworten müssen!«
    Allday war völlig betäubt. Er taumelte wie ein Betrunkener, als man ihn nach unten brachte. Tief unterhalb des Hauptdecks lagen zwei kleine Zellen, jede gerade groß genug für einen Mann. Allday sah stumm zu, wie sich die schweren Eisen um seine Hände und Füße legten. Doch erst als die Tür zuschlug und der Riegel vorrasselte und er in totaler Finsternis zurückblieb, packte ihn die tatsächliche Wahrheit mit schrecklichem Würgegriff. Es würde lange dauern, bis die Phalarope wieder in einen Hafen einlief und die für ein Kriegsgericht erforderliche Zahl an Offizieren zusammengebracht werden konnte. Aber wer erinnerte sich dann noch oder wen kümmerte es dann, ob er unschuldig war oder nicht?
    Man würde ihn als warnendes Beispiel benutzen: eine zappelnde, um sich schlagende Marionette, die, begleitet von dumpfem Trommelgerassel, langsam am Seil zur Großrah hinaufgezogen wurde.
    Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Der Laut hallte in der Stille des Schiffsrumpfes wider. Er schlug so lange gegen die Tür, bis er fühlte, wie ihm das Blut über die Finger rann, bis er seine Tränen auf den Lippen schmeckte. Dann sackte er erschöpft und keuchend zusammen, und nun herrschte völlige Stille, die tiefe, leere Todesstille eines Grabes.
    Leutnant Herrick lehnte mit der Schulter gegen den Großmast und schaute mißmutig über die leeren Decks. Eine Stunde der Mittelwache lag hinter ihm, und im hellen Mondlicht schimmerten Segel und Takelage wie die eines Gespensterschiffs.
    Ob er wollte oder nicht, er mußte immer wieder an Allday und den ermordeten Zahlmeister denken.
    Vernünftigerweise hätte er sich sagen sollen, daß die Sache aus und vorüber war. Lediglich eine Eintragung im Logbuch, die kurz besprochen und dann vergessen wurde. Evans war tot, und sein Mörder lag unten in Eisen. Zumindest darüber sollte jeder einigermaßen zufrieden sein. Ein unentdeckter Mörder, der das Logis in Schrecken versetzte oder wieder zuschlug, wäre weitaus besorgniserregender gewesen.
    Er stellte sich vor, wie Allday immer wieder von neuem zustieß und die Leiche zerfleischte, bis sie kaum noch an einen Menschen erinnerte, und dann abgebrüht ein Paar Pistolen stahl und sie in seinem eigenen Quartier versteckte. Es ergab alles keinen Sinn, aber ihm war klar, daß er die Beweise nur anzweifelte, weil es sich um Allday handelte.
    Kurz ehe er die Wache übernahm, war er zu den dunklen Zellen hinuntergegangen. Er schickte den Posten zum Ende der Leiter, öffnete die Tür und hielt eine Laterne in die Zelle.
    Allday lehnte gebückt an der gegenüberliegenden Seite und hielt abschirmend die Hände vor die Augen. Seine Füße rutschten auf seinem eigenen Kot aus. Ekel und Wut, die Herrick empfunden haben könnte, waren in diesem Augenblick wie weggewischt. Er hatte lautes Leugnen oder dumpfes Aufbegehren erwartet. Statt dessen begegnete er dem Versuch, Würde zu wahren.
    Er fragte ruhig: »Haben Sie mir noch etwas zu sagen, Allday?
    Ich habe nicht vergessen, daß Sie mir auf den Klippen das Leben gerettet haben. Wenn Sie mir alles erzählen, kann ich vielleicht doch noch irgend etwas für Sie tun.«
    Allday machte eine Bewegung, als wolle er sein langes Haar aus der Stirn schieben, und blickte auf die schweren Handschellen hinunter, ehe er bebend hervorstieß: »Ich habe es nicht getan, Mr. Herrick. Wie kann ich mich gegen etwas verteidigen, was ich nicht getan habe?«
    »Verstehe.« In der Stille hörte Herrick das Rascheln der Ratten und die sonderbaren, ächzenden Geräusche eines Schiffs auf See. »Wenn Sie es sich anders überlegen sollten . . .«
    Allday versuchte, auf Herrick zuzutreten, taumelte aber gegen dessen Arm. Einige Sekunden lang spürte Herrick die vor Furcht schweißnasse Haut des anderen und roch dessen Verzweiflung: ein Geruch des Todes.
    »Auch Sie glauben mir nicht«, sagte Allday gepreßt. »Was soll das Ganze also?« Seine Stimme gewann ein wenig innere Kraft. »Lassen Sie mich in Ruhe. Lassen Sie mich um Gottes willen in Ruhe.« Doch als Herrick die Tür wieder

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