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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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ein bisschen ausruhen und sich dann erst auf den Weg machen. Oder aber sie könnte mit Mick darüber sprechen, ihn in ihren Plan einweihen. Womöglich konnte er sie sogar begleiten, dann wäre sie nicht allein.
    Es war verlockend. Doch sie wusste, sie machte sich etwas vor. Wenn sie jetzt wieder ins Bett ging, würde ihr Entschluss mit ihr einschlafen, und sie bezweifelte, ob sie sich dann noch einmal würde motivieren können.
    Und mit Mick darüber zu sprechen, kam überhaupt nicht in Frage. Er würde alles daran setzen, ihr diese Idee auszureden, und sie würde es ihm nicht verdenken können. Womöglich schaffte er es sogar, sie zu überzeugen. Denn was sie vorhatte, war tatsächlich aberwitzig. Total bescheuert. Und, sollte sie mit dem, was sie vermutete, recht behalten, war es auch nicht gerade ungefährlich, um es einmal gelinde auszudrücken.
     
    Mick wachte gegen halb zehn auf, und das Bett neben ihm war leer. Von Clara und Elise keine Spur. Er vermutete, sie sei mit Elise Gassi gegangen, und schlurfte gähnend ins Badezimmer. Dort am Spiegel hing ein Zettel. Augenblicklich alarmiert riss Mick ihn herunter, und als er die wenigen Zeilen las, entfuhr ihm ein herzhafter Fluch.
     
    Als Willi an diesem Morgen an der Kanzlei ankam, wartete schon eine junge Frau vor der Tür auf ihn. Sie hatte einen dunklen Pferdeschwanz, große, ernst dreinblickende Augen und stellte sich als Mira Brolin vor.
    Sie wolle Frau Rechtsanwältin Clara Niklas sprechen, unbedingt, sofort, und nur sie. Nein, Herr Allewelt könne ihr nicht weiterhelfen, sie schüttelte den Kopf, dass ihr Pferdeschwanz nur so flog.
    Willi seufzte und wählte Claras Privatnummer. Es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach zehn.
    »Frau Niklas wird jeden Moment kommen. Möchten Sie vielleicht in einer halben Stunde wiederkommen?«
    Frau Brolin verneinte. Nein. Sie würde warten. Das mache ihr nichts aus, sie habe Zeit.
    Willi versuchte es noch einmal: Vielleicht könnte sie ihm ja wenigstens sagen, worum es ginge? Man könne dann ja schon mal vorab gewisse Dinge klären …
    Frau Brolin presste die Lippen aufeinander und schüttelte wiederum hartnäckig den Kopf.
    Willi hob ratlos die Schultern. »Na, dann …«
    Er ging nach unten zu Linda, die bereits am Computer saß, und bat sie, der merkwürdigen Mandantin doch eine Tasse Kaffee zu bringen.
    Gerade als er zurück an seinen Schreibtisch gehen wollte, platzte Mick herein. Er riss die Tür so heftig auf, dass sie mit einem Klirren gegen die Wand krachte und Linda und Willi erschrocken herumfuhren.
    Ohne Linda zu beachten, wandte sich Mick an Willi, Claras Nachricht in der Hand. »Wo ist sie hin?«, rief er schon von weitem. »Hast du eine Ahnung, was sie vorhat?«
    Willi sah ihn verständnislos an. »Mick, äh, hallo, was … wen … meinst du, Clara?«
    Stumm hielt ihm Mick den Zettel vor die Nase. Willi las, noch immer ratlos, die wenigen Zeilen:
    Lieber Mick,
    es tut mir leid, aber ich muss mir für ein paar Tage dein Auto ausleihen. Ich erkläre dir alles, wenn ich zurück bin. Ich liebe dich, Clara.
    »Ich verstehe nicht ganz …«, begann Willi und nahm die Brille ab. »Ich leihe mein Auto auch nicht gerne her, aber …«
    Mick fuhr sich ungeduldig durch die Haare, bis sie in alle Richtungen abstanden. »Nein! Darum geht es doch nicht! Sie hat etwas vor, worüber sie mit mir nicht reden wollte. Sie ist …« Er unterbrach sich und rieb sich nervös über die Augen. »Ich glaube, sie steckt in ziemlichen Schwierigkeiten.«
    Willi musterte Mick überrascht. Er ging zu seinem Schreibtisch und zog Claras Stuhl heran.
    »Setz dich, und erzähle, was los war«, forderte er Mick auf, und dieser begann mit seiner Schilderung vom vorherigen Abend.
    »Sie war vollkommen aufgelöst, verstehst du! Blass wie der Tod, und im Gesicht hatte sie eine Verletzung. Sie hat ganz merkwürdige Dinge geredet, und dann, als ich heute Morgen aufgewacht bin, war sie verschwunden.« Er wedelte mit dem Zettel hin und her und fuhr sich erneut mit der Hand über das unrasierte Gesicht. »Ich dachte, vielleicht weißt du, worum es überhaupt geht?«
    Willi schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung. Aber glaubst du wirklich, dass es so ernst ist? Ich meine, sie macht oft die verrücktesten Dinge …«
    Mick machte eine ärgerliche Handbewegung. » Bullshit ! Ich bin doch nicht bescheuert! Ich habe sie gestern gesehen, du nicht. Sie ist im Murphy’s regelrecht umgekippt.

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