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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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sie nur mit den Schultern, er sei eben drangsaliert worden, besonders von Herrn Selmany. Dem konnte Dr. Lerchenberg nie etwas recht machen. Immer gab es Fehler zu kritisieren, immer Vorwürfe, Demütigungen ganz offen vor dem Pflegepersonal, er wurde ständig kontrolliert und in seinen Befugnissen eingeschränkt. Alles was er tat, war falsch. Irgendwann habe sie dann bemerkt, dass er sich regelmäßig von den Beruhigungstabletten, die für die Patienten bestimmt waren, welche wegnahm »Er hatte so eine kleine Dose, da hat er sich immer zwei, drei reingetan, wenn es nicht auffiel.«
    Willi nickte. Clara hatte ihm erzählt, dass man bei Ralph Lerchenberg eine Überdosis Beruhigungsmittel festgestellt hatte. Bis jetzt erzählte Mira Brolin ihm nichts Neues. »Er war süchtig, nehme ich an. Solche Mittel sind ja recht stark, nicht wahr?«, fragte er weiter, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Aber nein! Das ist es ja gerade! Überhaupt nicht. Ich habe ihn genau beobachtet und auch die Bestände kontrolliert, es waren nur die ganz leichten Mittel, und auch nur wenige, deshalb habe ich auch nichts gesagt, ich dachte mir, das ist ja nicht so schlimm und … na ja, er hat mir eben leidgetan.«
    Sie errötete, und Willi vermutete, dass sie womöglich ein bisschen verliebt in Ralph Lerchenberg gewesen war. Er versuchte, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Mick trat bereits nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Und jetzt machen Sie sich Vorwürfe, weil Sie nichts gesagt haben?«, fragte Willi verständnisvoll.
    Mira Brolin traten Tränen in die Augen. »Ich habe mir nicht gleich etwas dabei gedacht, als ich Dr. Selmany mit der Dose gesehen habe, ich habe mich nur gewundert, weil ich gedacht habe, nur ich wüsste davon. Aber wenn sogar der Chef informiert ist, dann soll mich das wohl nicht weiter kümmern, sagte ich mir. Als aber dann der Unfall passiert ist, hieß es, er habe starke Beruhigungsmittel genommen, und da wurde ich stutzig …«
    »Moment!«, unterbrach Willi, der sich angestrengt zu erinnern versuchte, was Clara ihm von Ralph Lerchenberg erzählt hatte. »Sie haben also Dr. Selmany mit der Tablettendose von Ralph Lerchenberg gesehen?«
    Als Mira Brolin schniefend nickte, atmete Willi tief durch und fragte weiter: »Wann war das?«
    »Am Dienstag, ganz kurz vor dem Unfall. Sie hatten einen schlimmen Streit, es ging wieder einmal um Frau Imhofen, die war ja erst kürzlich gegen den Willen von Dr. Selmany entlassen worden. Als ich in das Ärztezimmer kam, habe ich ihn gesehen. Er hat die Dose schnell versteckt, als ich hereingekommen bin, aber ich bin mir sicher.«
    »Wo war Herr Lerchenberg zu dem Zeitpunkt?«
    »Er war nicht im Raum, eine Schwester hatte ihn zu einem Patienten gerufen, das war wegen dem Herrn Schwieling, er hatte wieder einmal sein Essen an die Wand geworfen und getobt, er glaubt immer, es sei vergiftet …«
    Sie verstummte und holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. Mit rot geränderten Augen sah sie Willi an. »Ich weiß nicht, ob das wirklich von Bedeutung ist, aber nachdem es doch hieß, Herr Lerchenberg habe Selbstmord begangen und sei tablettensüchtig gewesen und all so schreckliche Dinge und Dr. Selmany uns verboten hat, mit der Polizei zu sprechen, da dachte ich, ich erzähle es Frau Niklas. Ich dachte, sie weiß vielleicht, was ich jetzt tun soll.«
    Willi überlegte einen Augenblick, dann sagte er langsam: »Ich denke, Frau Brolin, wir sollten jetzt zusammen zur Polizei gehen.«
     
    Clara war schon ziemlich lange nicht mehr Auto gefahren. Genau genommen fuhr sie eigentlich nie. Seit ihrer Rückkehr aus Irland hatte sie kein eigenes Auto mehr besessen und es auch nie vermisst. Als sie jedoch mit Micks Schlachtschiff, einem alten Landrover Defender, der besser in die Wüste Kalahari als auf eine bayerische Autobahn gepasst hätte, die Stadt verließ und die anfängliche Unsicherheit verflogen war, überkam sie plötzlich ein übermächtiges Gefühl von Freiheit, eine Euphorie, die sie vielleicht das letzte Mal verspürt hatte, als sie nur mit einem Rucksack als Gepäck durch Italien und Frankreich getrampt war. Das war vor mindestens tausend Jahren gewesen. Zumindest fühlte es sich so an. An ihrem überschäumenden Hochgefühl konnte nicht einmal das schlechte Gewissen etwas ändern, das noch immer leise an ihr nagte, weil sie sich Micks Auto einfach so genommen hatte und ohne ein Wort verschwunden war. Sie würde ihn anrufen. Und auch Willi. Aber jetzt noch nicht. Jetzt

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