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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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wacklig, und ihr Herz klopfte noch immer heftig in Höhe ihres Halses. Sie konnte jeden einzelnen Schlag schmerzhaft spüren. Mit klammen Fingern zog sie sich aus und kletterte in die Duschkabine.
     
    Elise hatte Claras hektische Morgenaktivitäten von ihrem sicheren Platz im Flur aus interessiert beobachtet. Als Clara jetzt aus der Dusche stieg, sprang sie auf und rieb sich zur Begrüßung an ihren nassen Beinen, was zur Folge hatte, dass eine ganze Menge loser Haare an Claras feuchtem Oberschenkel kleben blieb. »Also wirklich!« Clara schob Elise weg und versuchte, die Hundehaare mit dem Handtuch abzurubbeln. Natürlich war es vergeblich, so ähnlich, als wolle man die Krümel auf ihrer durchgesessenen Wohnzimmercouch einzeln herunterpflücken. Also noch mal unter die Dusche.
    Sehr sauber, aber nicht unbedingt frisch, machte sich Clara eine halbe Stunde später auf den Weg in die Stadt, um zu frühstücken. Sie brauchte Menschen um sich, wollte nicht einsam in ihrer Küche sitzen bleiben und riskieren, dass sich deren Wände noch einmal auf sie zubewegten. Rita versprach Trost und Rettung. Ein großer Cappuccino mit einer Wolke schaumiger Milch, ein dickes Schokoladencroissant und vielleicht noch eines mit Crema, dieser unvergleichlich buttrigen Vanillecreme … damit würden sich die Gespenster, wenngleich nicht vertreiben, so doch besänftigen lassen.
     

CADAQUÉS
    Mein Geliebter,
    es hat nichts genützt, mich wohl zu verhalten. Niemand nimmt es zur Kenntnis, niemand spricht mit mir. Ich sage: Könnte ich bitte Farben zum Malen haben, und sie antworten: »Wie geht es uns denn heute?« Und sie gehen weiter, tätscheln dem nächsten Irren den Rücken, gehen wieder weiter, ihre Schritte verklingen auf dem langen Gang, und vor den Fenstern verblasst der Sommer. Die Schneekönigin holt uns ab und bringt uns in die stille Kammer. Wir weigern uns, sagen, wir möchten das nicht mehr, es hilft uns nicht, und sie lächelt ihr aufgeklebtes Papierlächeln und sagt: »Ja, ja, ich verstehe.« Und dann schließt sie die Tür und lässt dich allein mit den Gespenstern. Einmal habe ich keine Luft mehr bekommen, bin umgefallen, das ewig weiße Licht hat mir die Kehle zugedrückt, und sie ist gekommen und hat sich Notizen gemacht. Maja, meine Zimmernachbarin, weint die ganze Nacht. Sie kommen und geben ihr eine Spritze, und das nächste Mal muss sie wieder dort hinein. Sie wird es nicht aushalten, ich spüre es. Ihre Farben gehen. Ihre Stimme klingt wie welkes Gras, durch das der Wind fährt, hinter ihren Augen ist nichts mehr als ein leeres Grau …

MÜNCHEN
    Kommissar Walter Gruber lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück. Bis vor fünf Minuten hatte es so ausgesehen, als wären sie im Fall Imhofen noch keinen Millimeter vorangekommen. Weder die kriminaltechnischen Untersuchungen noch die Spurensicherung hatten irgendeinen brauchbaren Hinweis auf den möglichen Täter gebracht. Zahlreiche heftige Schläge auf den Hinterkopf mit einem Hammer oder Ähnlichem, hatte der Befund gelautet. Doch es gab keine Tatwaffe, keine Fingerabdrücke, keine Verdächtigen. Bis auf Ruth Imhofen und diese Zeugin, die sie am Nachmittag vor der Villa gesehen haben wollte. Dem stand die Aussage dieses verdammten Arztes entgegen, wonach Ruth Imhofen den ganzen Tag im Haus Maximilian verbracht haben soll. Gruber glaubte ihm kein Wort. Doch bislang hatte er seine Angaben auch nicht widerlegen können. Und sie hatten bisher auch kein wirkliches Motiv gefunden, weshalb Ruth Imhofen ihren Bruder hätte töten wollen.
    Er für seine Person war jedoch ohnehin kein großer Verfechter der Suche nach Gründen, warum jemand etwas tat oder es eben sein ließ. Dazu waren ihm schon zu viele sinnlose, unmotivierte Gewalttaten untergekommen. Hinzu kam, dass es sich hier ja offenbar um eine psychisch gestörte Person handelte. Die konnte aus Gründen gehandelt haben, die für einen normalen Menschen sowieso nicht nachvollziehbar waren. Vielleicht hatten ihr irgendwelche Stimmen etwas eingeredet? Zeitverschwendung, sich bei so jemandem mit der Suche nach einem Motiv aufzuhalten. Aber, und das fuchste ihn viel mehr, sie hatte ein Alibi, daran war nicht zu rütteln. Ein zweifelhaftes zwar, aber immerhin. Bis jetzt jedenfalls.
    Und dann war da noch diese Anwältin. Er konnte sich gut vorstellen, was sie mit ihm machen würde, wenn er Ruth Imhofen offiziell als Mordverdächtige behandelte und nichts Besseres vorzuweisen hatte als ein Gefühl. Doch dieses Gefühl trog ihn

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