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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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ihr Blick auf die geschlossene Tür. In dem Moment begriff sie. Sie lief zu der Tür, um sie zu öffnen, doch gerade als sie die Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde sie umgerempelt und prallte mit dem Kopf heftig gegen die Wand. Stöhnend ging sie in die Knie. Sie sah noch, wie Ruth die Tür aufriss und hinauslief, dann verschwamm das Bild vor ihren Augen, und alles begann sich zu drehen.
    Als sie wieder zu sich kam, kniete Kommissar Gruber vor ihr auf dem Boden und tätschelte ihre Wangen. Hinter ihm stand eine fremde Frau und musterte sie über seine Schulter hinweg.
    Clara versuchte, sich aufzurappeln, doch da schob die Frau Gruber beiseite und beugte sich zu ihr hinunter.
    »Bleiben Sie sitzen«, befahl sie ruhig und bewegte einen Finger vor Claras Augen hin und her. Dann hob sie mehrere Finger in die Höhe. »Können Sie mir sagen, wie viele Finger Sie sehen?«
    Clara stöhnte und schob die Hand weg. »Wo ist Ruth?« Ihre Augen suchten Kommissar Gruber. »Was ist mit ihr?«
    Der Kommissar hob die Schultern. »Sie ist auf und davon. Zwei Kollegen suchen sie bereits.«
    Heftig fluchend stand Clara auf. Ihr Kopf dröhnte. Vorsichtig befühlte sie die schmerzende Stelle, das würde eine saftige Beule geben. »Konnten Sie sie nicht festhalten, verdammt?«
    Gruber lachte bitter auf. »Sie machen mir Spaß! Gerade noch von der eigenen Mandantin k. o. geschlagen, und schon sind wieder die anderen schuld. Hatten Sie nicht gerade eben noch verlangt, ich solle sie loslassen?« Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht.
    Clara musterte ihn. Sein Hemd war voller brauner Flecken, und seine Unterlippe blutete ein wenig. Am Boden lagen die Scherben einer Kaffeetasse.
    Gruber folgte ihrem Blick. »Sie hat mir den Kaffee ins Gesicht geschüttet. Mitsamt der Tasse. Da habe ich sie losgelassen, und weg war sie.«
    Clara setzte sich auf einen der Stühle und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Es war die Tür. Ich hätte es merken müssen. Als Ihre Kollegin die Tür geschlossen hat, muss sie das an die weiße Kammer erinnert haben. Verdammt und zugenäht. So eine Scheiße!«
    Sie beachtete Gruber nicht, der verärgert nachfragte: »Weiße Kammer? Wovon, zum Teufel, sprechen Sie?«
    Stattdessen fingerte sie in ihrer Tasche nach den Zigaretten und steckte sich eine in den Mund. »Darf ich?«
    Reflexartig schüttelte Gruber zuerst den Kopf, doch dann nickte er achselzuckend: »Von mir aus.«
    Er sah Clara eine Weile beim Rauchen zu, dann schob er ihr widerwillig eine Untertasse als Aschenbecher hin. »Wir sollten uns unterhalten«, sagte er.
    »Finden Sie?«, gab Clara müde zurück. »Für Sie ist doch ohnehin schon alles klar. Und jetzt, nach diesem Auftritt ganz besonders. Ich sehe schon die Schlagzeilen von morgen: Irre Doppelmörderin auf der Flucht!«
    »Sie haben einen ziemlichen Hang zur Übertreibung«, gab Gruber wütend zurück.
    »Aber es wird doch sicher eine Fahndung eingeleitet, ein Haftbefehl beantragt?«, hakte Clara nach.
    Gruber nickte. »Natürlich. Was würden Sie denn an meiner Stelle machen?«
    Clara seufzte. Er hatte recht. »Sie war es nicht«, sagte sie leise.
    Gruber sah sie an. »Weshalb sind Sie da so sicher?«
    Clara befühlte ihre Beule und sah sich die Bescherung um sie herum an. Sie überlegte einen Augenblick, ob sie Gruber nicht doch alles erzählen sollte. Vielleicht irrte sie sich ja, und es war tatsächlich das Beste, diese Sache zur Sprache zu bringen. Vielleicht war genau jetzt, hier und heute der richtige Zeitpunkt. Es würde immerhin Ruths Verhalten von eben erklären. Aber würde es sie auch entlasten?
    Clara schüttelte den Kopf. Kein bisschen. Solange nicht ein anderer Verdächtiger auftauchte, nützte diese Geschichte Ruth im Moment gar nichts. Im Gegenteil. Es bestand vielmehr die Gefahr, dass diese Ungeheuerlichkeiten, die Ruth widerfahren waren, in dem Tumult um den Mord und ihre Flucht untergingen, dass die Geschichte als bloßes Ablenkungsmanöver gewertet wurde, als taktisches Spielchen, um von Ruths Schuld abzulenken.
    Clara konnte die Sprüche förmlich hören: »Mag ja sein, dass das alles nicht in Ordnung war, aber musste sie deshalb nach ihrer Entlassung schnurstracks ihren Bruder töten?«
    Solange Ruth verdächtig war, Johannes Imhofen getötet zu haben, stellte dies gleichzeitig eine Rechtfertigung für Ruths Aufenthalt in der Klinik dar: »Solche Leute muss man einfach wegsperren, man sieht ja, was sonst passiert. Hat man sie ein bisschen hart angefasst? Wird

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