Bruderschaft der Kueste
drohte er zu ersticken.
„Fasst mich ... mich nicht an“, würgte er hervor, kaum noch in der Lage zu sprechen. Etwas verengte seine Kehle, erschwerte es ihm zu atmen. Er wich weiter zurück, machte eine abwehrende Geste, als der Spanier ihm einen Schritt folgte. Schwarze, sehnsuchtsvolle Augen, voller Leidenschaft, voller Versprechungen folgten seinen Bewegungen.
„Vielleicht wirst du mal anders darüber denken“, meinte Miguel leise, seine Stimme hatte ihren betörenden Klang verloren. „Ich kann warten“, fügte er hinzu, als Simon ihn nur weiterhin anstarrte. „Ich warte schon lange auf jemanden wie dich.“
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, die Simon nun mit einem Mal weich und unglaublich begehrenswert erschienen. Miguels Zunge leckte aufreizend darüber, sandte heiße Schauer durch Simons entsetzten Geist und erregten Körper. Wie es sich wohl anfühlen mochte, diese schmalen, festen Lippen zu kosten, dachte Simon sehnsüchtig, erschrak gleich darauf bei diesem absurden Gedanken. Miguels Blick fand abermals seine Augen.
„Ich kann warten. Wie Jean“, meinte er und musterte Simon dabei genau. Mit einem Blick solchen bedachte ein Mann keinen anderen, schoss es Simon durch den Kopf. Es war einfach nicht richtig!
„Sein Interesse an dir macht mit Sicherheit nicht an deinem Wert als Geisel halt, nicht wahr?“, fragte Miguel, voll Verständnis nach.
Simon vermochte nicht, ihm zu antworten. Wie sollte er auch erklären, was Jean von ihm wollte, wenn er es selbst stets vor sich verleugnete, nicht wahr haben wollte? Miguel nickte verstehend. Ein Ausdruck von Bedauern überzog das südländische Gesicht; tief darunter schwelte allerdings eine unheimliche Gier, die Simon vor ihm zurückweichen ließ. Seine Gedanken tobten heiß und wirr, er war einfach nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, begriff kaum, was Miguel ihm da erklärte. Es war alles zu viel, damit konnte er nicht umgehen. Das durfte alles nicht sein!
„Bleibt mir fern!“, stieß er panisch hervor, wirbelte herum und rannte einfach davon. Dieser Mann war viel zu gefährlich! Viel gefährlicher als selbst Jean! Er riss ihn endgültig in diesen Abgrund, den er in sich verbarg, der ihn verschlingen würde! Er war pures Gift!
An den darauf folgenden Tagen ging Simon Miguel und Jean aus dem Weg. Soweit es sich auf dem beengten Raum des Schiffes eben machen ließ. Er mied ihre Gesellschaft, hielt sich in den kurzen Gesprächen mit Jean stets zurück und beschränkte sich nur auf das Notwendigste. Nach wie vor suchte Jean immer wieder seine Gesellschaft, doch er bedrängte ihn nicht weiter.
Auch Simon vermied es, ihm zu nahe zu kommen, wich stets seinen Berührungen aus, blieb wortkarg und zurückhaltend. Daher bekam er auch nur indirekt mit, wohin ihre Reise nun ging. Er schloss aus den Gesprächen der anderen Piraten, dass sich Jean wohl hatte überreden lassen, nach Saint Frate zu segeln, wo Miguel angeblich einen großartigen Gold- und Silberschatz verborgen hatte.
Die Männer sprachen eigentlich von nichts anderem mehr. Denn natürlich hatte man ihnen ihren Anteil an dem sagenhaften Schatz, der bei jeder Erwähnung weiter wuchs, versprochen. Verächtlich lauschte Simon ihnen, hielt es jedoch nicht für nötig, sie darauf hinzuweisen, dass ein Schatz von solch einer Größe wohl kaum von einem einzelnen Spanier zusammen gestohlen werden konnte. Sie würden es schließlich selbst erleben. Dieser Bastard war nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Lügner und Hochstapler. Die Aussicht auf diesen immensen Reichtum versetzte die Piraten in regelrechte Euphorie.
In Simon hingegen wuchs die Hoffnung, wenn sie sich dem Land näherten, dass er eine Gelegenheit zur Flucht fand. Das merkwürdige Erlebnis mit Miguel hatte in ihm die Überzeugung reifen lassen, dass er zunehmend unter den schlechten Einfluss dieser verfluchten Piraten geriet und so rasch wie möglich fliehen sollte, um nicht dem Laster und der Sünde zu erliegen. Schon zu Beginn seiner Gefangenschaft hatte einer der Männer zu ihm gesagt:
„Wer unter Piraten lebt, wird selbst zu einem.“ Simon erkannte jetzt die furchtbare Wahrheit darin.
Zwischen Miguel und Jean schien unterdessen die Spannung zu wachsen. Mehr als einmal waren die beiden befreundeten Männer in heftige Gespräche vertieft, die sie rasch vor Simon oder der Mannschaft abbrachen. Eines Abends kam es sogar in Jeans Kajüte zu einem Streit.
Weitere Kostenlose Bücher