Bruderschaft der Unsterblichen
glaube nicht, daß sie hier mit meinen Sachen allzuviel anstellen können. Vielleicht wollen sie sie auch nur waschen. Mir macht es nichts aus, als Ersatz diese Shorts zu tragen. Eine Spur zu eng um den Arsch herum – vermutlich bin ich größer als die Gäste, die sie hier sonst bekommen –, aber in dieser Hitze ist es gerade richtig, so wenig wie möglich anzuhaben.
Was mich aufbringt ist, daß ich in meinem Zimmer eingeschlossen bin. Diese Sache erinnert mich an zu vi e le Horrorfilme im Fernsehen. Gleich öffnet sich eine g e heime Stelle im Boden, und die heilige Kobra kommt hochgekrochen, zischt und spuckt. Oder Giftgas strömt durch ein verstecktes Ventil herein. Nun, ich glaube n a türlich nicht wirklich daran. Ich glaube, daß uns übe r haupt kein Leid zugefügt werden wird. Trotzdem ist es empörend, eingesperrt zu sein, wenn man Gast ist. Findet zur Stunde ein besonderes Gebet statt, bei dem wir nicht stören dürfen? Vielleicht. Ich werde eine Stunde warten und dann versuchen, die Tür aufzubrechen. Die Tür sieht verflucht solide aus, ein großes, festes Stück Holz.
Kein Fernseher in diesem Motel. Auch zu lesen nicht besonders viel, außer diesem Büchlein, das sie auf dem Boden neben meinem Kinderbett liegen lassen haben. Und was darin steht, habe ich bereits vorher gelesen. Das Buch der Schädel, ohne Zweifel. Maschinegeschrieben, in drei Sprachen: Latein, Spanisch, Englisch. Eine g e schmackvolle Covergestaltung: Schädel und gekreuzte Knochen. He, ho, Siebzehn Mann auf des toten Manns Kiste! Aber amüsieren tut mich das nicht. Und im Buch selbst steht all das Zeugs, das Eli uns vorgelesen hat, di e se melodramatische Scheiße über die achtzehn Myster i en. Der Text liest sich anders als Elis Übersetzung, aber der Sinn ist der gleiche. Viel Geschwafel um das ewige Leben, aber auch viel Gerede um den Tod. Zuviel.
Ich würde gern von diesem Ort verschwinden, falls sie jemals die Tür öffnen. Ein Witz ist einmal gut, auch zweimal, und vielleicht war es wirklich ganz spaßig, im letzten Monat auf Grund von Elis Gerede auf dem Arsch über den Teer nach Westen zu fahren, aber jetzt, wo ich einmal hier bin, kann ich nicht mehr verstehen, was mich dazu bewogen hat mitzumachen. Falls das wirklich alles wahr sein sollte, was ich noch immer bezweifle, möchte ich nicht Teil von ihnen werden, selbst wenn sie bloß ein Haufen von rituellen Fanatikern sein sollten, was mir wahrscheinlicher scheinen will, selbst dann möchte ich nicht bei ihnen mitmachen. Ich sitze jetzt zwei Stunden hier drin, und für meinen Geschmack reicht das. Diese ganzen Totenschädel gehen mir auf den Nerv. Die Nummer mit der verschlossenen Tür auch. Und dieser unheimliche alte Mann. Okay, Jungs, jetzt reicht’s. T i mothy will jetzt wieder nach Hause.
25. KAPITEL
Eli
Sooft ich auch in Gedanken die kleine Szene mit Bruder Antony wiederholt habe, ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen. Wollte er mich hochnehmen? War seine Unkenntnis nur geschauspielert? Oder hat er nur ein Wissen vorgegeben, über das er in Wahrheit gar nicht verfügt? War es das schelmische Lächeln des Eingewei h ten oder ein plumper Bluff?
Es konnte ja sein, so sagte ich mir, daß sie das Buch der Schädel unter einem anderen Namen kennen. Oder daß sie im Verlauf der Wanderung von Spanien über Mexiko nach Arizona ihren theologischen Symbolismus fundamental umgestellt hatten. Ich war überzeugt, trotz der dunklen Antwort des Bruders, daß dieser Ort der d i rekte Nachfolger des Katalonischen Klosters sei, in dem das Manuskript, das ich entdeckt hatte, geschrieben wo r den war.
Ich nahm ein Bad. Das angenehmste Bad meines L e bens, das Ultimative an Bad, der Höhepunkt. Ich entstieg der prächtigen Wanne und stellte fest, daß meine Kleider verschwunden waren, und die Tür war verschlossen. Ich zog abgenutzte, ausgefranste Shorts an, die sie mir hing e legt hatten. (Sie?) Und ich wartete. Und wartete. Und wartete. Nichts zu lesen, nichts zu begucken, außer der schönen Steinmaske eines glotzäugigen Schädels, eine Mosaikarbeit, eine Unmenge von kleinen Steinchen aus Jade, Muscheln, Obsidian und Türkis, eine Kostbarkeit, ein Meisterwerk. Ich überlegte, ob ich ein zweites Bad nehmen sollte, bloß um die Zeit rumzukriegen. Dann öf f nete sich meine Tür – ich hörte weder einen Schlüssel noch das Klicken eines Schlosses –, und jemand trat ein, der auf den ersten Blick wie Bruder Antony aussah. Der zweite Blick bewies mir, daß es sich um
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