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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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für dich, oder? A l so sag’s ihm. Das jetzt ist der Moment, an dem alles z u sammenläuft, die Rhetorik, die selbstbetrügerische Übe r treibung, die ganzen intensiven philosophischen Deba t ten, alle Zweifel und Gegenzweifel, die ganze Fahrt. Jetzt bist du da. Du glaubst, daß es der richtige Ort ist. Also sag’s ihm.
    Bruder Antony, der Olivers Flüstern mitbekommen hatte, blieb stehen und drehte sich zu uns um. „Ja?“ sagte er mild.
    Verwirrt suchte ich nach Worten, bis ich schließlich die richtigen fand. „Bruder Antony, Sie müssen nämlich wi s sen – daß wir alle das Buch der Schädel gelesen h a ben …“
    Peng.
    Der unerschütterlich gleichmütige Gesichtsausdruck des Bruders geriet für einen Moment ins Wanken. Kurz bemerkte ich das Zucken von – Überraschung? Verwi r rung? Ratlosigkeit? – in seinen rätselhaften dunklen A u gen. Aber sehr schnell gewann er die Kontrolle über sich zurück. „In der Tat?“ sagte er, die Stimme wieder so fest wie vorher. „Das Buch der Schädel? Was ist das für ein merkwürdiger Name! Ich frage mich, was ist das Buch der Schädel?“ Die Frage war rhetorisch gemeint. Er b e dachte mich mit einem hellen, kurzlebigen Lächeln, wie der Strahl eines Leuchtturms, der nur einen Moment lang den dichten Nebel durchschneidet. Aber wie der sche r zende Pilatus blieb er nicht da, um uns zu antworten. R u hig ging er nach draußen und bedeutete uns mit einem kurzen Fingerschnippen, daß wir ihm folgen sollten.

23. KAPITEL
Ned
     
    Na, da haben wir ja etwas zum Nachgrübeln, zumindest lassen sie uns stilvoll nachgrübeln. Jeder von uns b e kommt ein eigenes Zimmer, spartanisch eingerichtet, aber sonst ganz hübsch und eigentlich gemütlich. Das Schädelhaus ist viel größer, als es von außen den Ei n druck macht: Die beiden hinteren Flügel sind außerg e wöhnlich lang, der ganze Komplex enthält vielleicht fünfzig oder sechzig Zimmer, nicht gerechnet mögliche unterirdische Etagen. Soweit ich das sehen konnte, hatte kein Zimmer ein Fenster. Die zentralen Räume, die ich für die „Aufenthaltsräume“ halte, besitzen ein offenes Dach, aber die anderen Zimmer, in denen die Brüder l e ben, sind rundum geschlossen. Falls es hier ein Ventilat i onssystem geben sollte, so ist es mir nicht aufgefallen, da ich weder Ventile noch Rohre entdecken konnte. Aber wenn man von einem Raum mit durchbrochenem Dach in ein rundum abgeschlossenes Zimmer kommt, so e r fährt man einen schnellen, deutlichen Temperatursturz von heiß, wie in der Wüste, zu Zimmertemperatur, wie in einem Motel. Die Architektur ist eigentlich simpel: hu n dertprozentig viereckige Räume, die Wände und die Decken sind aus grobem, unverputztem braungelbem Sandstein gemacht, der an keiner Stelle von Schatten, einzelnen Sonnenstrahlen oder Wandschmuck beei n trächtigt wird. Alle Böden bestehen aus dunklem Schi e fer; es gibt weder Teppiche noch Läufer. Auch mit M ö beln scheint man hier nicht besonders reichhaltig ve r sorgt zu sein; in meinem Zimmer steht mir nur ein nie d riges Kinderbett, aus Holz und dicken Stricken gemacht, und eine kleine, gedrungene Kommode zur Verfügung. Ich vermute, daß ich in letztere meine Sachen legen kann. Sie ist sehr schön, aus hartem, schwarzem Holz gezimmert. Die vorherrschende Kargheit wird nur von einer phantastischen Ansammlung (wie ich annehme) präkolumbianischer Masken und Statuetten durchbr o chen, die an den Wänden aufgehängt sind, in Ecken st e hen oder in Nischen untergebracht wurden – furchterr e gende Gesichter, verwinkelte und grausame Flächen, köstlich in ihrer Monstrosität. Das Motiv des Totensch ä dels ist fast immer zu finden. Mir ist schleierhaft, was den Zeitungsreporter dazu veranlaßte zu behaupten, an diesem Ort hielten sich „Mönche“ auf, die etwas mit dem Christentum zu tun hätten. Der Ausschnitt, den Eli mit sich führt, spricht von einer Einrichtung als einer „Ko m bination aus mittelalterlichem, christlichem Stil und e t was, das aztekischen Motiven ähnelt.“ Gut, der aztek i sche Einfluß ist ja nicht zu übersehen, aber was ist mit dem christlichen? Ich sehe weder Kreuze noch Kirche n fensterscheiben noch Bilder von Heiligen oder der Heil i gen Familie noch etwas vom sonstigen Brimborium. Die ganze Ausstattung dieses Ortes ist heidnisch, primitiv, prähistorisch: Dies könnte genausogut der Tempel i r gendeiner antiken mexikanischen Gottheit sein, sogar ein Heiligtum der Neandertaler, aber Jesus gehört hier ei n fach

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