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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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sterben?«
    »Warum hat sich jemand die Mühe gemacht, es so aussehen zu lassen, als hätte ich es getan? Wissen Sie es? Ich weiß nur eines. Diese 19-Jährige passt nicht in mein Schema.«
    »Warum erzählen Sie es ausgerechnet mir?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Fragen Sie Felix Kortner. Der hat den Fall bearbeitet, wie Sie wissen. Denn er hat ja auch Sie vernommen.«
    »Er hat die Serienmorde und den Mord an Charles bearbeitet.«
    »Er stufte den Tod von Claudia Langhoff als Sexualverbrechen ein und schob es mir in die Schuhe, weil Ihr Bruder nicht zu fassen war.«
    »Sie haben sich schuldig bekannt«, sagte ich gequält.
    »Ich verhandelte, nachdem Kortner mich geschnappt hatte. Bei mir kam es auf einen Mord mehr nicht an. Kortner brauchte eine perfekte Aufklärungsquote. Sie wissen doch noch, wie das mit dem Plansoll in der DDR war, oder? Immer 105 Prozent, nur ja nicht darunter. Sonst gab es keine Prämie, keine Beförderung und Privilegien wie den neuen Lada schon gar nicht. Und bitte keine unaufgeklärten Morde, wenn es in dem sozialistischen Laden hier schon solchen Ausschuss wie Mörder gab. Dann mussten sie zumindest geschnappt werden. Und zwar alle. Warum sollte ich mich nicht schuldig bekennen? An meinem Strafmaß änderte eine Leiche mehr oder weniger nichts.«
    »Sie behaupten also, Kortner hat Beweise manipuliert und für den Mord an Claudia Langhoff einen Täter, nämlich Sie, erfunden? Ist Ihnen klar, was Sie da sagen?«
    Grinsend zuckte er mit den Schultern.
    »Was haben Sie von Kortner für Ihr Entgegenkommen erhalten?«
    »Sie wissen doch, dass es solche Gefängnisse gibt und solche. Kortner drohte mir mit Berlin-Hohenschönhausen. Sie kennen den Ruf. Es unterstand bis zum Mauerfall der Staatssicherheit. Normalerweise brachten sie da die Politischen hin, die Abweichler. Aber manchmal auch Leute wie mich. Hohenschönhausen war zu DDR-Zeiten ein saumäßiger Knast mit saumäßigen Bedingungen. Sie schnappten mich im Herbst 89, kurz vor dem Mauerfall. Ich war mir sicher, dass er nach meiner Verurteilung nicht wesentlich komfortabler sein würde.«
    »Sie haben in Magdeburg gesessen.«
    »Eben. Das war ein Vorzeigeknast. Modernes Zellengebäude, helle Duschen, Zwei-Bett-Zellen. Ich wollte eine Einzelzelle. Die kriegte ich dann auch. Wenn ich Sonderwünsche hatte … nichts Großes, regelmäßig Zigaretten, ab und zu mal ein Extrabesuch … Die Beamten drückten schon mal ein Auge zu. Das war’s zwar, aber es hat mir das Leben erleichtert, wie Sie sich vorstellen können. Sie wissen doch, dass Leute wie ich …«
    Er brach ab.
    »… selbst unter Schwerverbrechern nichts zu lachen haben und in der Hackordnung ganz unten stehen«, vervollständigte ich den Satz. »Es soll vorkommen, dass Kindermörder wie Sie einen tödlichen Unfall im Knast haben.«
    Er beugte sich vor. »Wie waren denn Ihre Erfahrungen mit Kortner? Man hörte ja damals so Geschichten. Als Schwester eines Mörder mussten Sie sich doch bestimmt warm anziehen?«
    »Das geht Sie nichts an«, sagte ich barsch.
    »Keinen Hass auf Kortner oder Ihren Bruder? Wäre es nicht eine Erleichterung für Sie, wenn Ihr Bruder im Knast säße, um für seine Taten zu büßen?«
    »Welche Taten?«, fragte ich mit wenig Überzeugung in der Stimme. »Die Sache mit Charles war ein Unfall, und nie im Leben hat Leo Claudia vergewaltigt und getötet.«
    »Wenn er es nicht war, wer dann? Interessiert Sie das nicht?«
    »Ich wüsste nicht, weshalb.«
    Er lachte auf, zog an seiner Zigarette und lehnte sich zurück.
    »Sie arbeiten als Gerichtsreporterin. Sie kennen sich aus, und Sie haben Biss. Sie haben Ihren Bruder doch noch jahrelang gesucht.«
    »Weshalb sollte mich ein Mord kümmern, der vor 20 Jahren geschah?«
    »Sie werden es tun«, sagte er und stand auf. »Jemand läuft da draußen frei rum. Jemand, der diese Claudia Langhoff vergewaltigt und ermordet hat. Sie wissen doch am besten, dass die Gespenster der Vergangenheit nicht einfach verschwinden. Sie kehren immer zurück. Manchmal früher, manchmal später. Nur eines ist sicher: Sie kommen wieder.«
    »Das war es?« Ich stand ebenfalls auf, ergriff meine Tasche und wandte mich zum Gehen.
    »Moment noch«, sagte er und ging zum Wohnzimmerschrank. Das Scharnier der Schranktür quietschte leise, als er sie öffnete. Als er sich umdrehte, hielt er einen grau marmorierten Aktenordner in der Hand.
    »Nehmen Sie den«, sagte er. »Das Gespenst ist längst wieder unter uns.«

7
    »Henny Langhoff«, hatte

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