Brüchige Siege
»Herrgott,
Junge, was sollen denn die Spikes? Willst du unser Linoleum
ruinieren?« Im Neighborly Market gab es nur zwischen den Regalen Linoleum; der meistbenutzte Bereich an der Kasse
und an der Getränketruhe hatte rohen Betonboden. »Zieh sie
aus, Boles.« Ich hatte hier noch nie die Baseballschuhe
ausgezogen, und ich war bestimmt schon ein dutzendmal hier
gewesen. »Ich meine das ernst, Boles.«
Also lehnte ich mich an die Theke und zog die Spikes aus.
Das machte mich zwar einen halben Zoll kleiner als zuvor,
doch deshalb lag Phoebes Nasenspitze immer noch meilenweit
unter der meinen und zeigte gerade mal auf meinen
Adamsapfel. Andererseits stand ich jetzt gefühlsmäßig in
einem Graben und sie auf der Siegertreppe. Der Beton war
eiskalt.
»Geh zum Milchschrank.« Phoebe winkte mit dem Kinn nach
hinten in den Laden. »Los, geh schon!« Ich sockte an der
Kasse vorbei zum Milchschrank. »Mach auf!« Ich machte auf.
»Dein Essen steht auf dem Brett mit den Eiern. Nimm es raus
und bring es her.« Ich sah einen weißen Porzellanteller,
abgedeckt mit Wachspapier und überkreuz verschnürt wie ein
Weihnachtsgeschenk. Ich nahm den Teller aus dem Fach und
trug ihn zur vorderen Theke. »Da steht ein Schemel«, sagte
Phoebe und wies mit dem Kinn auf einen Schemel hinter der
Theke. »Setz dich und iß. Wär doch jammerschade um das
Abendessen. Na los! Ich mach keine Witze. Was ich uns
gestern gekocht hab, ist einfach zu schade zum
Wegschmeißen.«
Ich zwängte mich hinter die Theke, tapste zum Schemel und
setzte mich. Phoebe klirrte mir eine Zinkgabel aufs Thekenglas und ließ ruppig die Kasse für eine Kundin rasseln, die mich
besah, als hätte ich mir eine Tonsur rasieren lassen. Ich knüpfte den Bindfaden auf, nahm das Wachspapier herunter und starrte
auf eine kalte, gebratene Hühnchenbrust, eine ledrige Portion
Kartoffelpüree und etwa zwanzig grüne Bohnen mit weißen
Fettmanschetten.
»Iß«, sagte Phoebe. »Iß.«
Ich nahm die Gabel von der Theke.
»Oh, du willst sicher was zu trinken. Mrs. Nagy, sind Sie
doch so nett und reichen Boles eine Erdbeerlimo. Er steht zwar nicht auf Erdbeerlimo, ich aber auch nicht.« Mrs. Nagy ging
zur Kühltruhe und holte die Limo. »Machen Sie ihm doch bitte
den Verschluß ab.« Mrs. Nagy tat uns auch diesen Gefallen
und schlitterte mir die Limo mit feuchter Hand übers Glas, als gelte es, eine Bombe mit Zeitzünder loszuwerden. Phoebe
hatte ihr die Ware in eine Tüte gestopft, und Mrs. Nagy suchte mit finstrer Miene das Weite.
»Iß jetzt«, sagte Phoebe.
Die Hühnchenbrust war noch saftig und schmeckte. Ich esse
gern kaltes Brathühnchen. Doch an der Kartoffelpampe würgte
ich wie an Lehmklößen, und die grünen Bohnen hatten unter
dem ganzen Fett mehr Fäden als ein Teppich Fransen hat. Ich
zwang mir Kartoffelbrei und Bohnen hinunter, Faden um
Faden und Klumpen um Klumpen. Die Limo half.
»Jetzt zeige, daß es dir geschmeckt hat«, sagte Phoebe.
Ich nickte ein paarmal. Zumindest was das Hühnchen betraf,
war das Nicken nicht gelogen. Phoebe nahm mir Gabel und
Teller ab und räumte alles in ein Regal hinter mir.
»Jetzt sag mir, daß es dir leid tut, und zwar ganz
schrecklich.«
Ich nickte auch hier meine Zustimmung.
»Das reicht nicht.« Phoebe legte mir einen Bleistiftstummel
und ein benutztes Kuvert auf die Theke. »Schreib.«
Ich kritzelte: Es kommt nicht wieder vor – versprochen
versprochen versprochen! Sie nahm das Kuvert und las mein Gekritzel – ein halbes dutzendmal. Sie starrte durch die Worte und das Kuvert hindurch auf die Enttäuschung und
Demütigung von gestern abend. Ihr Blick war glasig, wie in
Trance.
»Okay«, sagte sie plötzlich und gab sich einen Ruck
rückwärts. »Entschuldigung angenommen.«
Ich atmete weiter; nur das Essen, das sie mir gekocht hatte,
lag mir im Magen wie ein Sack voll Ziegelbruch.
»Oma Shirleen«, rief Phoebe, »komm mal her und sag
diesem phänomenalen Shortstop, das er nicht Gottes Geschenk
an Highbridge ist! Bevor ihm der Kopf über die Ohren
schwillt!«
36
AM SAMSTAG VERLOREN WIR GEGEN OPELIKA. Buck Hoey
machte keinen Hit. Junior am Third machte zwei Spielfehler,
weil er es einfach nicht gewöhnt war, quer über das Infield zu werfen. Pete Hay warf sechs Innings, ließ uns aber fünf zu null hinter den Orphans herlaufen, die zu sehr auf Draht waren, als daß wir noch hätten aufholen können.
»Ach du große Neun!« brüllte Curriden von der Bank aus,
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