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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Verlangen einer Kreatur, die wie ich zufällig
    unsterblich ist. Ein lindernder Umstand ist auch meine
    Unfruchtbarkeit. Nicht, daß ich die Anziehungskraft des
    erotischen Vergnügens leugnen oder geringschätzen würde,
    nein, aber ohne Zeugungskraft verliert der Koitus für mich an
    Relevanz
    – und damit an Anziehungs- wie an
    Verführungskraft. Ich brenne nicht mehr wie ein
    Schmelzfeuer. Ich brauche keine Frauen, um meine Glut zu
    schüren. Somit fließen die Energien meines leidenschaftlichen
    Strebens in drei Reservoire: Sühne, Kameradschaft und
    Baseball.«
    Baseball, das kapierte ich. Kameradschaft, davon hatte ich
    einen Schimmer. Aber Sühne, das ging mir zum einen Ohr rein
    und zum anderen wieder raus, und zwar auf dem kürzesten
    Weg. Henry stand auf. Ich muß auf die Narbenringe gestarrt
    haben wie auf die hübschen Waden eines Starlets.
    »Ich habe dir diese Spuren meiner Selbstverstümmelung
    gezeigt, Daniel, damit du einen Eindruck bekommst, wie weit
    mich Einsamkeit und mein Verlangen nach Anschluß damals
    getrieben haben. Ich bedaure diesen chirurgischen Eingriff
    nicht, aber ich bedaure seine Spuren. Die Narben schmerzen
    nicht im physischen Sinne, aber ihr bloßer Anblick bricht mir
    das Herz. Ich ersuche dich dringend, deinen Blick
    abzuwenden.
    Bitte, Daniel.«

    Ich sah woanders hin. Henry raffte seinen Overall vom
    Boden und stieg in die Hosenbeine und schuppte die Träger
    hoch. Ich sah nicht, wie er das tat – ich hörte es.

    37

    AM SONNTAGMORGEN, ALS DER Braune Bomber auf den
    Parkplatz von McKissic Field bog, bot das Stadion samt
    Barbecue-Gruben den Anblick einer Geburtstagsparty auf
    einem Truppenübungsplatz. Jede Menge Highbridger hatten
    schon den Kirchgang zelebriert, viele nicht. Wir Hellbender,
    mal abgesehen von Mister JayMacs ostentativer Frömmigkeit,
    gehörten zu letzteren. Unser Gottesdienst hatte aus einer
    Ansprache Colonel Elshtains und ein paar Gebeten auf der
    Fahrt hierher bestanden. Wie dem auch sei, am McKissic Field
    standen sie Schlange für das Barbecue (das erst um eins
    losgehen sollte), Verkäufer priesen jede Menge Krimskram an
    und etliche Soldaten im Kampfanzug standen Wache entlang
    einer abgesperrten Schneise zu der Stelle, wo Darius immer
    parkte.
    Kaum hatten wir angehalten, da richtete Mister JayMac das
    Wort an uns: »Präsident Roosevelt hat die letzten zwei Tage
    im Little White House in Warm Springs verbracht. In Anbetracht des Krieges fällt es ihm natürlich schwer,
    Washington zu verlassen – außer, er muß sich an Bord eines
    Schiffes mit führenden Politikern unserer Verbündeten oder
    mit seinen Generälen besprechen. Aus Gründen, die ich hier
    nicht zu erläutern brauche« – Mister JayMac wischte sich den
    Nacken mit einem Taschentuch –, »kommt es nur selten vor,
    daß der Präsident im Hochsommer nach Georgia kommt. Vor
    fünf Jahren kam er für einen Tag im August hierher;
    normalerweise hebt er sich solche Abstecher für den Frühling
    oder Herbst auf. Seine Anwesenheit an diesem Vierten Juli
    zeugt von seiner robusten Gesundheit und seiner Integrität als Patriot. Sie bezeugt seinen Respekt vor allen Menschen, die im Süden geboren sind oder hier leben.«
    »Heiliges Kanonenrohr!« platzte Trapdoor Evans heraus.
    »Dieser gottverdammte Polio wird sich doch nicht etwa in
    unser Stadion verirren?«1
    Colonel Elshtain erhob sich. »Ein Spiel wird er sich auf jeden Fall ansehen, vielleicht beide. Und sollten Sie Gelegenheit
    haben, ihm persönlich zu begegnen, Gentlemen, so empfehle
    ich Ihnen eine respektvollere Anrede als Dieser gottverdammte Polio.«
    »Wie wär’s mit ›Eure Hoheit‹?« sagte Buck Hoey.
    »Mann Gottes«, sagte Muscles. »Wir müssen gewinnen.
    Wenn wir verlieren, blamieren wir uns vor dem Präsidenten
    der Vereinigten Staaten.«
    »Niederlagen sind keine Blamage«, sagte Colonel Elshtain.
    »Sprüche wie Dieser gottverdammte Polio! und Wie wär’s mit
    ›Eure Hoheit‹? sind weit mehr dazu angetan. Ob jemand den momentanen Präsidenten nun als Zierde oder als Schandfleck
    dieses Amtes betrachtet, ändert nichts an der Tatsache, daß…«
    Und bla-bla, bla-bla-bla.
    Zwei Sitze vor mir hob Turkey Sloan die Hand.
    »Was gibt es, Mr. Sloan?« sagte Mister JayMac.
    Sloan stand auf. »Vor nicht allzu langer Zeit, Sir, habe ich
    eine Huldigung an den Führer der Freien Welt, seine
    Administration und seine Familie geschrieben. Um Colonel
    Elshtains Zweifel an unserer Loyalität zu zerstreuen, bitte ich Sie,

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