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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Herzen rutschte, kam
    eine Abordnung aus Marineinfanteristen und Soldaten mit
    Stahlhelm über das brandneue Rampensystem marschiert.
    Dahinter kam die Vorhut des Geleitschutzes über den Grat
    einer Sperrholzrampe, die Männer in den dunklen Anzügen
    begleiteten den winkenden Rollstuhlfahrer ins Stadion, einen

    Mann, der sich bis dahin nur ungern so ›unmännlich‹ gezeigt
    hatte. An diesem Vierten Juli aber fuhr der Präsident
    erhobenen Hauptes in die abgeschirmte Loge hinter unserem
    Unterstand. Nachdem die Militäreskorte weggetreten war,
    konnte ich den Präsidenten genausogut oder besser sehen als
    jeder andere im Stadion.
    Es war nicht zu glauben. Ich, ein Junge aus einem
    Provinznest, stand vielleicht fünfzig Yards vom ersten
    Präsidenten unseres Landes entfernt, der in der dritten
    Amtsperiode regierte. Mein Nackenhaar machte la Ola
    Jahrzehnte, bevor diese Jubelgeste erfunden werden sollte.
    Wollen Sie trotzdem wissen, was meine grauen Zellen
    beschäftigte? Er hatte meinen ersten Hit verpaßt. Was, wenn das mein erster und letzter blieb?
    Abgesehen von den dunklen Flecken unter seinen Augen und
    den Dellen in seinen Wangen, sah Mr. Roosevelt toll aus,
    ziemlich wie Francis X. Bushman oder ein anderer
    Stummfilmdarsteller. Cooler weißer Leinenanzug, schmucker
    Strohhut mit Formkrempe, weicher getupfter
    Schmetterlingsbinder.
    Jemand hatte ein Mikrophon in Brusthöhe fixiert (und das für
    jemanden, der im Rollstuhl sitzt), und der Rollstuhlschieber
    des Präsidenten (ein Mann vom Secret Service?) faßte Mr.
    Roosevelt unter die Achseln. Baseballspieler und Fans jubelten gleichermaßen. Der Jubel schwoll an und überschwemmte das
    Home-of-the-brave-Finale des Star-Spangled Banner. Der Präsident nickte und nickte, die Arme in der Luft wie ein
    ∗
    verzückter Holy-Roller, ein Lächeln so breit wie Tennessee.
    Die ›Privatloge‹ des Präsidenten füllte sich: Militär und
    Secret Service, ein, zwei ›große Tiere‹ aus FDRs Stab und zu

    ∗ Holy Roller ist ein Mitglied einer nordamerikanischen Religionsgemeinschaft, deren Gottesdienst häufig zu körperlicher Ekstase führt – und Tennessee hat tatsächlich die Form eines Riegels.

    meiner großen Überraschung Colonel und Mrs. Elshtain, Miss
    Giselle und LaRaina und Phoebe Pharram. Mister JayMac
    kletterte in Hemdsärmeln auf das mit Teerpappe gedeckte
    Dach unseres Unterstands und ging zum Chef der Exekutive,
    um ihm die Hand zu schütteln und ihn im Namen von
    Highbridge willkommen zu heißen.
    Mitten in dem Tumult stand Colonel Elshtain und wippte
    hoch in den Füßen und zurück und lächelte wie ein Siamese,
    dem die Goldfischflosse noch aus dem Mund guckt. Kein
    Wunder, daß ihm der Schlachtgesang der Verweigerer nicht gemundet hatte.
    Der Jubel nahm kein Ende. Farbige wie Weiße jubelten FDR
    zu, die ersteren von den unüberdachten Plätzen aus oder von
    wo immer sie als Platzwarte, Hausmeister oder Snack-
    Verkäufer Stellung bezogen hatten. Manche – in der Regel
    Frauen – weinten. Der Krieg hatte aus FDR einen Gott
    gemacht – für viele zumindest, selbst für konservative Weiße.
    Bei den Schwarzen hatte er einen Stein im Brett, weil die First Lady sich für Fairness aussprach und weil sie Negerführer im
    Weißen Haus empfing.
    Der Präsident machte ein paar dämpfende Handbewegungen
    und versuchte, das Mikrophon zu benutzen: »Ladies and
    Gentlemen, wenn Sie bitte…« Wieder dieses breite Kinn-oben-
    Lächeln. »Bei Gott, das ist ein herrlicher Empfang, und ich bin glücklich, hier zu sein. Ich bitte um Nachsicht, daß ich dieses Spiel unterbrochen habe und wie der Kalif von Bagdad hier
    eingezogen bin. Gott weiß, daß wir heute die amerikanische
    Unabhängigkeit feiern und nicht die Abhängigkeit unseres
    nationalen Zeitvertreibs von meinen Urlaubsterminen.«
    So redete er minutenlang weiter und überließ dann Mister
    JayMac das Mikrophon, der noch einmal Graham Jackson und
    die Plantagen-Sänger auf den Plan rief – eine Gruppe, in die
    FDR sich bei seinen Aufenthalten im Cason Callaway’s in

    Blue Springs verliebt hatte. Dann bekamen wir das Star-
    Spangled Banner zum fünften Mal binnen vierzig Minuten zu hören – wonach unsere Fans das »Play ball!« allerdings so laut wie eh und je skandierten.
    Mr. Roosevelt stemmte sich wieder ans Mikrophon: »Fragt
    heute abend eure Nachbarn, ob sie von dem Unfall hier auf
    McKissic Field gehört haben. Wenn sie ›Ich fürchte, nein‹
    sagen, dann erzählt ihnen, ›Ein

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